Leseprobe: der Anfang

Kapitel 1 “Ankommen”

“Dagmar Caroline Heinemann!”

Daggi zog sich die Decke weiter über den Kopf. Sie wollte nicht aufstehen.

“Junges Fräulein! Die Schule fängt wieder an, steh auf, sonst kommst du noch zu spät!”

Daggi hörte ihre große Schwester aus ihrem Zimmer die Treppe runter rumpeln, Jambo bellte unten in der Küche, und ihre Mutter rief nochmal von unten: “Daggi! Sapperlot! Steh auf, du Schlafmütze!”

„Meeh…Das Bett ist so schön warm und das Kissen ist so schön weich.” dachte Daggi bei sich. 

Daggi war 14, und es war der erste Tag nach den Sommerferien. 

So richtig “bock” auf die Schule hatte sie nicht. Nicht wegen ihren Klassenkameraden oder den Lehrern. Eher wegen der Langeweile, die sie manchmal im Unterricht hatte. Irgendwas spannendes fehlte in ihrem Leben – aber sie wußte nicht, was das war. (Lieber wäre sie noch eine Woche länger im Sportcamp geblieben, aber die letzten zwei Wochen hatten zwar Spaß gemacht, jedoch war Leichathletik nicht ihr Ding. Aber besser als Schule war es allemal.)

Sie blinzelte auf ihr Handy, das neben dem Bett auf dem Nachtskommödchen gelegen hatte: 7 Uhr 04. Anziehen, ins Bad, Frühstücken, zum Bahnhof laufen, um den Zug zu erwischen… Jup. Sie war spät dran. Und da war eine Textnachricht von Marie-Sophie: “Guten Morgen Süße! Ich muß dir unbedingt was gaaanz wichtiges erzählen! Bis gleich (Kusssmilie)”

“Na toll” dachte Daggi, während sie aus dem Bett kroch und sich anzog. “Wahrscheinlich hat sie mal wieder nen neuen Freund. Oder zwei”. Bei Marie-Sophie wusste man das nie so genau. 

Als sie immer noch etwas schläfrig runter in die Küche kam, zeterte ihre Mutter: “Daggi! Du mußt in die Puschen kommen! Hast du alles im Ranzen, was du brauchst?“

“Jaaaa, Mama!” Daggi war genervt.

“Sieh zu, daß du den Zug nicht verpaßt! Du mußt ja nicht gleich am ersten Tag nach den Ferien zu spät kommen!”

“Boah Mama! …Und warum kann ich nicht einfach mit Sabine mitfahren? Dann brauch ich nicht zum Bahnhof latschen?!”

“Erstens ist deine große Schwester alt genug, um von ihrem Freund mit dem Auto abgeholt zu werden und zweitens: Solange du 14 bist, fährst du mit dem Zug. Dann lernst du vielleicht auch Pünktlichkeit, basta!”

“Kann Papa mich nicht mitnehmen?”

“Dein Vater ist kein Taxi und außerdem ist der schon lange weg. Und jetzt beeil dich!”

Daggi rollte nur murrend mit den Augen, als sie sich die Milch in ihre Frühstücksflocken schüttete. Sie war von ihrer Mutter nur genervt. Vielleicht war in die Schule zu gehen doch keine so schlechte Idee, um mal Ruhe vor ihr zu haben. Nach sechs Wochen Sommerferien hatte sie genug von „Family“. Trotz der zwei Wochen Sportcamp.

7Uhr36: Auf dem Bahnsteig des Bahnhofs Wiezethal stand Daggi mit Kopfhörern auf den Ohren und wartete auf den Zug. Es standen noch einige andere Leute herum, meist Schülerinnen und Schüler, aber auch ein paar erwachsene Pendler. Von Daggi unbemerkt stand ein anderes Mädchen, einsam und verunsichert auf dem Bahnsteig: Laura.

Lauras Familie war erst vor fast einem Monat mit seiner Familie aus Deutschland nach Wiezethal gezogen. Ihr Stiefvater, Jens Bauer, hatte einen neuen Job in diesem komischen Land angenommen. Für Laura war der Umzug die Hölle: ein anderes Land, eine andere Umgebung. 

Insgesamt haßte sie ihren Stiefvater dafür noch mehr als ohnehin schon. Denn eigentlich mochte sie ihren Stiefvater von Anfang an nicht. Aber ihre Mutter liebte ihn, und er war der Vater ihres Halbbruders Johannes. [Und obwohl Jens sein Vater war, liebte sie ihr kleines Brüderchen.] Auch wenn er in letzter Zeit immer mehr nervte. Das war auch in dem ganzen Umzugstreß nicht besser geworden. Laura hatte sich in ihrem neuen Zimmer zurückgezogen, Musik gehört – und, wenn die Verbindung gut genug war, mit zwei-drei Freundinnen in Deutschland getextet. Nur zweimal war sie in der ganzen Zeit in dem Kuhkaff gewesen. Für sie war es ein Kuhkaff. Wiezethal war nicht Berlin. Sie vermißte die Stadtluft – und die Aussicht auf eine neue Schule zu gehen, wo sie die Neue, die Fremde sein würde, machte das alles nicht besser. Sie fühlte sich einsam und sie hatte Angst. 

Alles um sie herum war fremd.

(Sie hatte auf ihrer alten Schule in Berlin zwar nicht wirklich viele Freunde zurückgelassen, aber sie vermißte ihre Klasse irgendwie.) Und sogar ihre Schule, sogar die Lehrer.)

Laura war auch ziemlich spät dran gewesen, als sie das Haus verlassen hatte. Bis jetzt hatte sie niemand Gleichaltrigen getroffen oder gesehen. Dreieinhalb Wochen keinen Kontakt zu Menschen in ihrem Alter. Nur ihre Mutter, ihr kleiner Bruder und ihr Stiefvater. Jetzt sah sie 30 Meter vor sich ein Mädchen gehen. Mit Rucksack. „Die wird wahrscheinlich auch zur Schule müssen.” dachte sie sich. Aber sie konnte ja nicht einfach zu dem fremden Mädchen hinlaufen. Das wäre ihr zu peinlich. Also lief sie weiter hinter der Unbekannten her. Und siehe da: je näher sie dem Bahnhof kamen, desto mehr Kinder und Jugendliche tauchten auf.  

Ihr kam es zwar etwas komisch vor, das es hier keine Schulbusse gab, aber von Wiezethal aus war das der schnellste Weg: In Müssen lag das Gymnasium direkt in der Bahnhofstraße. Nur 2 Minuten zu laufen. Das hatten sie und ihre Mutter beim Schuleingliederungstest herausgefunden. Das war das eine der beiden Male gewesen, dass sie das Haus verlassen hatte. Sie war mit ihrer Mutter, allerdings mit dem Auto, nach Müssen gefahren, um den Schulweg kennenzulernen und einen Leistungstest zu machen. In Deutschland hatte sie die 7. Klasse beendet, dann waren Sommerferien und der Umzug gewesen – und hier hatte sie den Test bestanden. Alle Fächer mit 1 oder 2. Es war ein Arbeitsblatt, das sie ausfüllen musste – und ein Gespräch mit einer sehr alten Lehrerin.

Nach dem Gespräch hatte die alte Lehrerin gesagt: „Ich sehe da keine Probleme! Du kannst direkt in die 8. Klasse. In die 8c – die Klassenlehrerin heißt Rickmers. Noch eine letzte Frage: Religion: katholisch oder evangelisch?”

Laura verstand die Frage nicht wirklich: in Berlin hatte sie nur Ethik gehabt. 

Ihre Mutter meinte dann: „Ähm…das muss ich mit meinem Mann erst besprechen…“, worauf die Lehrerin antwortete: „Das ist jetzt auch noch nicht weiter schlimm, das können wir immer noch in der ersten Schulwoche regeln.”

“Erste Schulwoche“, das hatte vor zwei Wochen noch so weit weg geklungen. Aber heute war es soweit. Jetzt stand sie hier im Bahnhof am Gleis 1. Und da die Strecke in Wiezethal endete, gab es nur eine Fahrtrichtung, in der die Züge den Bahnhof verlassen konnten. Sie konnte also schon mal nicht in den verkehrten Zug einsteigen.

Das unbekannte Mädchen hatte sie aus den Augen verloren. Um 7.39 kam der Zug. Aber was für einer!

Der Zug bestand aus grünen Waggons, die von einer Dampflokomotive geschoben wurden. Mit Quietschen und Zischen kam der Zug zum Stehen. Laura fühlte sich wieder mal im falschen Film, fast wie bei Harry Potter. Ihr Großvater, der Vater ihrer Mutter, hatte eine Modelleisenbahn mit Dampflokomotiven im Keller gehabt. Als kleines Mädchen hatte sie zu Weihnachten mit ihm und der Eisenbahn gespielt. Aber das hier, das war echt. Anscheinend schien sich aber niemand darüber zu wundern. Die anderen Jugendlichen und die paar Erwachsenen taten so, als sei ein Zug mit Dampflokomotive das normalste der Welt.

Als der Zug endlich stand, gingen hier und da ein paar Türen mit einem lauten “klack-klack” auf. 

Laura stand ganz vorne am Bahnsteig, dort wo nur wenige andere Leute waren, am letzten Waggon. Sie starrte die Tür wie das achte Weltwunder an – und fühlte sich verpeilt. Kein Touch-Sensor piepste mit grünen LEDs zum Öffnen. “Wo muss ich drauf drücken?” dachte sie sich fragend. In Berlin hatte jede S-Bahn einen piepsenden Sensor gehabt. Diese Wagentür aber hatte eine Türklinke.

Im Hintergrund erschallte ein greller Pfiff. Erschrocken sah sie sich um. Sie wollte nicht schon an einer Türklinke des Zuges an ihrem ersten Schultag scheitern. 

“Mensch Mädchen, du musst die Tür schon aufmachen, wenn du mitfahren willst!” sagte eine Männerstimme hinter ihr. Der Mann war offenbar ein Bahnmitarbeiter. Aber die Uniform sah altmodisch aus. Er trat an die Tür und öffnete mit einem “klack-klack” die Tür.

“So, Fräulein, bitte einsteigen, wir fahren jetzt ab!”

Verlegen, weil sie sich wegen der Türklinke so verpeilt vorkam, und auch etwas irritiert, weil der Mann sie “Fräulein” genannt hatte, stieg sie ein. Der Waggon war leer, sie setzte sich auf den nächsten Sitzplatz. Der Schaffner lehnte sich aus dem Wagen, winkte mit einer grünen Kelle. Die Lokomotive pfiff mit einem kurzen “üüü-uuu-üüü”, und der Zug setzte sich zuckend in Bewegung. Also das waren diese dumpfen Pfeiftöne, die sie den ganzen Tag über immer mal wieder im Hintergrund gehört hatte! (seit dem sie hier hergezogen waren)

Der Schaffner schloß die Tür, und kam sofort auf Laura zu:

“Sooo…guten Morgen! Die Fahrkarte bitte!”

Diese hätte Laura schon beinahe vergessen gehabt, sie kramte ihre “Schülerfahrkarte” heraus. Eine beigefarbene Pappkarte – “Fahrkarte für Schülerinnen und Schüler. Der/die Inhaber*In ist berechtigt zur Teilnahme am öffentlichen Personennahverkehr zwischen 6.00Uhr und 22.00Uhr 3.Klasse im gesamten Geltungsbereich” stand da aufgedruckt. 

Das Feld für den Namen und die Schule hatte sie schon ausgefüllt.

“Das Bild muss ich erst noch machen lassen!” sagte sie verlegen, als sie dem Schaffner den Ausweis vorzeigte, denn der Platz für das Lichtbild war noch leer.

Der Schaffner nickte nur, “aber spätestens morgen, Fräulein!”

“Ja, ich kümmer mich drum…!“, murmelte sie verlegen, aber der Schaffner war schon durch die Tür in den nächsten Wagen verschwunden.

Das war also jetzt ihr neuer Schulweg.  

Neugierig auf die komplett neue Umgebung, aber auch etwas verschüchtert, nahm sie alles um sie herum wahr: Das Ruckeln des Waggons, das tadamm-tadamm der Räder auf den Schienen, die Häuser und Straßen die am Fenster vorüber zogen und hin und wieder die Geräusche der Lokomotive.

Sie bemerkte einen eigenartigen Geruch in ihrem Waggon: Es roch irgendwie…undefinierbar. Am ehesten erinnerte sie der Geruch an den Dachboden ihrer Großeltern in Köln. Ob das die Kunstledersitze waren? Laura hatte keine Ahnung. Es fiel ihr ein, dass sie auf die anderen Jugendlichen achten musste, ob und wann sie aussteigen würden, um die Haltestelle nicht zu verpassen.

Es waren gerade mal vier Minuten vergangen, da knarrte eine Lautsprecheransage aus der gewölbten Decke des Waggons: “Nächster Halt, Müssen Industriegebiet. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.”

War es schon so weit? Nein, Industriegebiet klang nicht nach Schule. Um sicherzugehen, stand sie auf und ging einen Waggon nach vorne. Da saßen offensichtlich Kinder und Jugendliche jeden Alters, aber niemand stieg aus. Unschlüssig setzte sie sich wieder hin und behielt die anderen im Auge. 

Die Jungen und Mädchen waren anscheinend jünger als sie. Wollte sie genau hinhören, ob sich die Jungen über Pokemon oder ähnliches unterhielten? Nein, irgendwie fand sie es doof, Gespräche anderer zu belauschen. Noch dazu von Fünft- oder Sechstklässlern.

Wieder vergingen 4 Minuten.

“Nächster Halt, Müssen Hauptbahnhof. Ausstieg in Fahrtrichtung links!” knarrte es wieder aus der Decke.

Die Schulkinder sprangen auf, hängten sich ihre Ranzen und Taschen um und strömten zu den Türen. 

Müssen Hauptbahnhof: Jep, hier war es richtig.

Laura folgte wie automatisch der Herde vom Bahnsteig durch die Unterführung bis zum Bahnhofsvorplatz. Sie erkannte die Straße wieder von ihrem Schuleingliederungstest. Vom Bahnhof einfach nur geradeaus.

Die Bahnhofstraße war eine Allee. Sie sah altmodische Autos und Häuser. Irgendwie sah alles altmodisch aus. Die Autos waren weniger rund als in Berlin. Aber dafür bunter. In ihrem alten zu Hause waren Autos irgendwie alle silber-metallic gewesen. Aber hier: Manche waren knallgelb, froschgrün, mokkafarben oder rot. Dafür hörten sich die Autos aber anders an. Sie knatterten irgendwie. Für den Moment bedrückte sie das. Es war ein schwieriger Neuanfang für eine Heranwachsende.
“Warum ist hier alles so altmodisch? Haben die anderen überhaupt Handys?”

Sie sah Grüppchen von 2, 3 und 4 Mädchen und Jungen, die allein oder zu zweit denselben Weg gingen. Ein paar Mädchen hielten ihre Köpfe über einem kleinen Touchscreen zusammen. “Ok” – dachte Laura sich. “Sie haben Handys.Gottseidank.” Also war hier doch nicht alles so altmodisch, wie es auf den ersten Blick zu sein schien.

Kurz vor 8 Uhr:

Laura stand einsam und verloren vor dem Eingang ihrer neuen Schule.

Sie betrachtete die anderen Schülerinnen und Schülerinnen genau – besonders natürlich die Mädchen, die in etwa in ihrem Alter waren. Sie trugen andere Klamotten, hatten einen anderen Style, anderen Schmuck und die Haare waren irgendwie anders. Aber gleichzeitig war vieles irgendwie “vertraut”. Schule ist eben Schule.

Jungs ihres Alters hatte sie bislang nicht gesehen, nur ein Rudel kleiner Knirpse rannte sie beinahe um, als sie schüchtern durch die Tür ins Innere ging. In der Eingangshalle sah sie sich um: Vor lauter Kindern und Jugendlichen sah sie keine Hinweisschilder und wusste nicht wohin. Also fasste sie ihren ganzen Mut zusammen, und sprach das nächstbeste Mädchen an, das durch die Tür kam, und in etwa ihr Alter hatte:

“Entschuldigung, ich bin neu hier…wo gehts zum Lehrerzimmer?”

Das andere Mädchen war etwas größer als sie, hatte lange rotblonde Haare und trug Stiefeletten mit Absätzen und eine weiße Lederjacke. Die angesprochene musterte sie nur ganz kurz von oben nach unten, aber das reichte aus, daß Laura am liebsten mit ihren [doofen Chucks, Skinnyjeans und dem Hoodie]

schneeweißen Sneakern ihrer Highwaist-Jogginghose und dem Hoodie, den sie trug, als “deeply underdressed” im Erdboden versinken wollte.

Aber das blonde Mädchen sagte nur: „Da hinten rüber!”, und deutete in Richtung eines Flurs, aus dem Lehrerinnen und Lehrer kamen.

Laura bedankte sich, und es war ihr peinlich, dass sie das nicht auch so gefunden hatte. Sie fühlte sich total verpeilt. 

Das blonde Mädchen hatte sich bereits wieder umgedreht und war weitergegangen.

Laura hörte noch, wie die Unbekannte mit einem langen Ruf “Daggiiiiii” ihren Schritt beschleunigte.

Sie traute sich nicht, an die Tür des Lehrerzimmers zu klopfen, aber das war auch nicht nötig: eine hässliche laute Klingel ging los: 8 Uhr, Unterrichtsbeginn. Aus dem Lehrerzimmer kamen Lehrerinnen und Lehrer. Sie sprach die erste Lehrerin an, denn sie wusste ja nicht, welche die richtige war: “Entschuldigung, ich bin Laura Bauer, und soll mich bei einer Frau Rickmers melden.”

Die Lehrerin, schon eine etwas ältere Dame, lächelte sie freundlich an: “Ah..Du meinst Fräulein Rickmers…un moment, si vous plait” – und drehte sich um,  und rief durch die Tür ins Lehrerzimmer: “Juliane, hier ist eine Schülerin für dich!”

Laura war etwas verwirrt, weil die Dame Fräulein Rickmers statt Frau Rickmers gesagt hatte – und mit einem leichten französischen Akzent gesprochen hatte. War ihre neue Klassenlehrerin etwa auch so eine alte Frau? Oder war die vermeintliche Französischlehrerin nur altmodisch?

Aber aus dem Lehrerzimmer kam nur die Stimme eine offenbar relativ jungen Frau:
“Ah, das wird die Neue sein…ich komme!”

Und dann kam sie aus der Tür: Laura schätzte sie Anfang 30, groß, schlank und sportlich, dunkelrot gefärbte Haare mit schwarzen Strähnen. Fräulein Rickmers hielt noch den Rest eines Apfels in der Hand, den sie wohl gerade gegessen hatte – und warf diesen mit einer ziemlich lässigen Wurfbewegung zielsicher in einen Abfalleimer, der neben dem Türpfosten stand. 

Während sie sich die Hände abwischte, sprach sie Laura an: “Sorry, ich hab’ bei meinem Frühstück etwas getrödelt. Und mit ‘ner dreckigen Pfote will ich dir nicht die Hand geben!”

Als sie fertig war, reichte sie Laura die Hand: “So, jetzt aber. Ich bin Juliane Rickmers, deine neue Klassenlehrerin… und die bist die …?”

“Laura Bauer.” 

“Laura Bauer…” wiederholte Fräulein Rickmers, um sich den Namen einzuprägen: „Ok…dann kommst du jetzt mit mir, und ich stelle dich deinen Klassenkameraden vor.”

Sie klemmte sich ihre Aktentasche unter den Arm und ging los. 

Laura tappte schweigsam neben ihr her. Sie hatte Schiss vor der Reaktion ihrer neuen Klasse. Wie würden sie sie aufnehmen?

Fräulein Rickmers schien das zu ahnen und versuchte, während sie im Treppenhaus in den ersten Stock hinaufgingen, das Eis etwas zu brechen: “Du kommst aus Deutschland, oder?”

“Ja, aus Berlin. Aber geboren bin ich in Köln“, antwortete Laura leise.

“Du brauchst keine Angst zu haben. Die 8c ist ne super nette Klasse.”

Mehr als ein verlegenes „hmmm“ brachte Laura nicht heraus. Sie hatte einen Kloß im Hals.

Fräulein Rickmers blieb kurz verwirrt stehen: “Raum 53 – moment, rechts rum…” sprach sie mehr zu sich selbst. Sie kamen vor dem Klassenzimmer an. Dort warteten sechs Mädchen und acht Jungen auf ihre Lehrerin.

Die Jungs nahmen von Laura anscheinend überhaupt keine Notiz – aber vier der Mädchen steckten sofort tuschelnd die Köpfe zusammen. Laura fühlte sich von einem Knäuel giftiger Schlangen beobachtet, als wäre sie nackt. Ihr war das zutiefst peinlich, und sie hoffte der Albtraum wäre bald vorbei.

Die beiden übrigen Mädchen hatten miteinander quatschend direkt vor der verschlossenen Tür gestanden, und Fräulein Rickmers und Laura gar nicht wahrgenommen: So vertieft waren sie in ihr offenbar höchst wichtiges Gespräch.

Zu Lauras Überraschung war die eine der beiden das blonde Mädchen, das sie eben noch nach dem Weg gefragt hatte: “Uuuund dann hat er mich gefragt, ob er meine Nummer haben kann, und dann”

“Das wird bis zur Pause warten müssen, liebe Marie-Sophie!” fiel Fräulein Rickmers ihr ins Wort “Geht mal an Seite, damit ich aufschließen kann!”

“Oh…Hallo Fräulein Rickmers!” Die Blonde drehte sich ertappt um, das andere Mädchen hatte Laura nicht sehen können, da Fräulein Rickmers direkt vor ihr stand.

Sie folgte den anderen ins Klassenzimmer. 

Ratlos, wohin sie gehen sollte, blieb Laura am Pult vor der Tafel stehen. Sie schwitzte Wasser und Blut – und hatte Angst.

“Sooo Leute…stellt mal die Tische und Stühle so, wie ihr sie haben wollt, aber mit Blickrichtung Tafel!” rief Fräulein Rickmers, als sie die Fenster zum Stoßlüften öffnete. Das Klassenzimmer roch nach 6 Wochen Sommerferien ziemlich muffig.

Zu den Besonderheiten dieser Schule gehörte es, daß sie reichlich bescheuerte Schülerpulte hatte, über die die Lehrer nicht immer ganz glücklich waren: In den Räumen für die Mittelstufe gab es leicht gebogene 3er-Tische, die in etwa geformt waren wie eine Banane. Die Tische hätte man zu einem Halbkreis zusammenstellen können, aber nur längs zum Fenster, nicht zur Tafel hin. Niemand wusste, wer diese Tische mal angeschafft hatte, aber Schülerinnen wie Lehrerschaft mussten einstweilen mit dem Mobiliar auskommen.

Ihre neuen Klassenkameraden hatten die Pulte so gestellt, dass ein Mittelgang frei blieb: An der Fensterseite saßen drei Jungs, dahinter wieder drei und in der hintersten “Banane” zwei Jungen.

Die sechs Mädchen hatten sich jeweils dreimal hintereinander zu zweit an ihre Tische verteilt – in jeder Bank war noch ein Platz frei. 

Laura wusste nicht, zu welchen Mädchen sie sich setzen sollte. Sie überlegte noch, und versuchte, die anderen einzuschätzen.

“Sooo! Setzt euch! Alle gelandet? Dann mal herhören!” Fräulein Rickmers stellte sich neben Laura am Pult auf: “Ich möchte euch eure neue Mitschülerin vorstellen: Das ist Laura, sie ist neu an unserer Schule und geht ab heute in eure Klasse!”

Genau das war der Moment, den Laura so gefürchtet hatte: Alle Augen ruhten auf ihr, alle starrten sie neugierig an. Sie stammelte nur ein leises „Hallo“. Jeder konnte sehen, dass ihr das peinlich war.

„Ich nehme an, du möchtest dich nicht zu den Jungs setzen, sondern lieber bei den Mädchen Platz nehmen?”

“Äh…nein also ja..” 

Die anderen kicherten. 

Die große Blonde saß in der mittleren Reihe ganz links nahe der Wand, neben ihr ein Mädchen mit dunklem schulterlangen Haar und braunen Augen. Der rechte Platz am Mittelgang war noch frei. Die Blonde sah sie “nur” neugierig, aber aufgeschlossen an. Das Mädchen in der Mitte schien sie aber ein klein wenig anzulächeln. Darum steuerte Laura auf die zweite Bank zu. „Ist hier noch frei?” fragte sie unsicher das Mädchen mit den dunklen Haaren. 

„Ja klar…setz dich!”

“Ja, dann herzlich willkommen am ASG, liebe Laura!” rief Fräulein Rickmers noch hinterher,  “…und Dagmar: Du passt ab jetzt auf Laura auf, dass sie nicht verschütt geht und zeigst ihr alles, klar?”

“Mach ich gerne, Fräulein Rickmers“, antwortete Daggi. 

“Du beschützt sie mit deinem Leben!” Das hatte Fräulein Rickmers mit einem Augenzwinkern und erhobenem Zeigefinger als Scherz gemeint. 

Aber Daggi setzte sich gerade auf und antwortete: “Jawohl, Fräulein Rickmers!” als sei sie bei etwas ertappt worden.

Nachdem Laura sich gesetzt hatte, war sie ganz perplex, als Daggi ihr richtig förmlich die Hand gab, aber sich freundlich vorstellte: “Ich bin Dagmar. Aber alle nennen mich Daggi”

„Laura“, sie gaben sich die Hand.

Und auch die große Blonde stellte sich vor und streckte ihren Arm quer über die Bank, sodass sie an Laura herankam: “Ich bin Marie-Sophie, hi!”

“Hi.”

Marie-Sophie hatte den Moment genau beobachtet, als sich Laura neben Daggi setzte. Natürlich hatten alle anderen auch dem “spannenden Ereignis” zugeschaut, aber Marie-Sophie hatte auch zwischen Laura und Daggi hin- und hergeschaut. 

Sie wusste noch nicht genau, was, aber irgendwas war anders. Irgendwas war gerade passiert. Nachdenklich sah sie nochmal zwischen Daggi und “der Neuen” hin und her. 

Fräulein Rickmers hatte in der Zwischenzeit reichlich Papierkram aus ihrer Tasche geholt. 

Sie setzte sich hinter das Pult links vor der Tafel.

„Ihr könnt euch übrigens bei eurer neuen Mitschülerin bedanken, denn wenn sie nicht zu euch gestoßen wäre, hätte die Lehrerkonferenz in den Sommerferien eure 8C aufgelöst, und euch auf eure beiden Parallelklassen verteilt…!”

“Wie?” rief einer der Jungen.

“Was?” rief eines der beiden Mädchen aus der hinteren Bank.

“Tja nun, das Konzept der kleinen Klasse ist an und für sich erfolgreich, wenn man es vom Lerngruppen-Standpunkt aus betrachtet, aber rein wirtschaftlich sind Klassen mit weniger als 15 Schülerinnen und Schüler Geldverschwendung. Lehrkräfte kosten auch Geld, sogar ich.” versuchte Fräulein Rickmers zu erklären. Und mit Laura seid ihr nun 15. Ihr könnt euch also wirklich bei ihr bedanken.”

Wieder lagen fast alle Blicke auf Laura – die wiedermal am liebsten im Erdboden versunken wäre.

“Danke, dass du da bist” flüsterte Daggi von der Seite.

Laura guckte sie an. “Ähm…bitte…keine Ursache.” murmelte sie verlegen. Und wieder sah sie in Daggis Gesicht das ganz, ganz stille Lächeln wie zuvor.

“So, dann gehen wir mal die Anwesenheitsliste durch…und sei es nur der Form halber:” Fräulein Rickmers nahm die Liste, und las vor: “ Albrecht, Christian…?” 

Ein Junge in der letzten Bank hob stumm die Hand. Laura hatte sich extra umgesehen; sie wollte sich die Namen ihrer neuen Klasse möglichst schnell einprägen, um sich nicht zu blamieren.

“Bauer, Laura – ist da, wie wir alle gesehen haben…” – ups, sie war offenbar als Zweite im Alphabet aufgelistet.

„Eigentlich heiße ich ja Münch mit Nachnamen.” murmelte sie verlegen in sich hinein.

Fräulein Rickmers stutzte. “Wie bitte?”

Laura seufzte. “Bauer ist der Nachname meines Stiefvaters, eigentlich heiße ich Münch.” Laura sah, dass Fräulein Rickmers verwirrt war.

“Äh…auf deiner Anmeldung steht aber….moment…” Sie suchte in ihren Unterlagen.

Laura lief rot an, es war ihr nun wieder peinlich, dass ihre Lehrerin sie überhaupt gehört hatte.

“Bauer, Laura, geboren am 26.4. und die Konfession ist evangelisch?” fragte Fräulein Rickmers.

Spätestens jetzt wäre Laura am liebsten wieder im Erdboden versunken – und war allerdings auch etwas verärgert. Jens, ihr Stiefvater, hatte wohl über ihren Kopf entschieden.

“Ähm…also das Letzte stimmt auch nicht…“

Jetzt war Juliane Rickmers komplett verwirrt: “Aber du bist schon die neue Schülerin, die hier sein sollte?” fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen und etwas gespielter übertriebener Verwirrung. Die anderen in der Klasse mussten kichern.

“Ja.” Laura rollte seufzend mit den Augen. “Bauer ist der Nachname meines Stiefvaters…” 

“Soll ich deinen Namen änd…?” fragte Fräulein Rickmers.

Mit einer resignierenden Handbewegung schüttelte Laura den Kopf. “Lassen Sie den Namen. Ist ‘ne lange Geschichte…”

Wenn sie das durchgezogen hätte, würde es zu Hause bestimmt Ärger geben. Und darauf hatte sie keinen Bock. Aber eine Sache musste sie Jens heimzahlen: “…aber mit Religion und so: Da nehm’ ich das andere…”

“Also katholisch, nicht evangelisch?”
“Ja!”

“Okay…” Fräulein Rickmers notierte sich die Änderung auf ihrem Zettel, in dem sie “ev” durchstrich und durch ein “rk” ersetzte.

Vor zwei Wochen, als sie nach dem Schuleingliederungstest mit ihrer Mutter wieder nach Hause gekommen war, hatte es die Diskussion beim Abendbrot gegeben:

Nachdem ihre Mutter Jens mitgeteilt hatte, dass es am ASG nur die Wahl zwischen katholischem und evangelischem Religionsunterricht, aber keinen Ethikunterricht gab, war er fast ausgerastet.

“Ich will nicht, dass sie in die Fänge dieser rückwärtsgewandten Kinderfickersekte gerät! Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, verfickte Hacke! Die sollen sich ihre Moralpredigten und albernen Kostüme in ihre schwulen Ärsche schieben! Wenn ich das schon höre: Jungfrau Maria?!…Und wenns hier keinen Ethikunterricht gibt, und Laura nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hat, dann soll sie halt meinetwegen bei die Evangelen gehen. Oder sie geht auf ne andere Schule. Aber, Silke, mir kommt nichts von diesen Dreckskatholiken ins Haus!”

Lauras Mutter, Silke, seufzte etwas gereizt. “Also erstens bin ich auch eine von den Dreckskatholiken.”

Jens sah sie verwirrt an. “Hä? Ich dachte du bist ausgetreten?!”
“Wollte ich. Aber dann kamst du mit deiner großartigen Idee mit uns in ein anderes Land zu ziehen, der Umzug, und da hab ich es einfach verbummelt. Ich war seit Ewigkeiten nicht mehr in ner Kirche, aber…als Laura geboren wurde, haben Michael und ich sie taufen lassen – und alle waren zufrieden. Naja…vor allem unsere Eltern. Aber sie soll ja auch keine Messdienerin werden, sondern einfach nur ganz normal am Schulunterricht teilnehmen.”

“Das wäre ja noch schöner.”
“Und zweitens: die nächste Schule für Laura wäre die internationale Schule in der Hauptstadt. Das sind zwei Stunden Fahrt. Jeden Tag. Und ich möchte das meiner Tochter nicht zumuten, nur damit sie ein einzelnes Schulfach nicht hat, nur weil es dir nicht gefällt. Aber, und das ist für mich das Wichtigste: Sie soll selber entscheiden. Mit 14 darf man das selbst entscheiden. In Deutschland, und wahrscheinlich hier auch.”

Sie wandte sich an Laura: “Wenn du möchtest, dann kannst du dir das überlegen, und ne Entscheidung treffen, du bist alt genug.”

Laura rollte nur mit den Augen. Sie war einfach nur GENERVT.

“Also wenn Jens unbedingt meint, ich soll evangelische Religion wählen…und du Mama…wenn du meinst, ich soll es selbst entscheiden…” Sie schloss kurz die Augen und tat so, als würde sie sich in ihr vermeintliches Schicksal ergeben – nur um dann die Augen wieder aufblitzen zu lassen, und ihren Satz zu beenden: “…dann wähle ich katholisch als Religionsfach! Meine Entscheidung!”

“Na suuuper!” motzte Jens.

“Laura, du brauchst jetzt nicht aus purem Trotz…”

“Mama! Du hast gesagt, es ist meine Entscheidung. Und da hast du sie. Ich bin auf meinem Zimmer!”

Laura stieß wütend den Stuhl vom Tisch ab, stand auf und marschierte schnurstracks die Treppe hoch.

Silke Bauer seufzte. “Das hast du ja toll hinbekommen.”

“Ich?” fragte Jens angeätzt. “Ich möchte einfach nicht, dass unsere Kinder mit irgendwelchen unwissenschaftlichen Ammenmärchen ne Gehirnwäsche verpasst bekommen.”

“Du bist nicht mein Vater!” schrie Luras Stimme vom oberen Stockwerk herab. Sie war vor lauter Wut am oberen Treppenabsatz stehen geblieben, aber auch, weil sie insgeheim hoffte, ihre Mutter würde sich mit Jens streiten. 

Aber nachdem sie das geschrien hatte, verschwand sie wirklich mit einem lauten Türknall in ihrem Zimmer.

An diesem Abend musste Laura nun denken, als sie Fräulein Rickmers nach ihrer Konfession fragte. Wenn Jens gegen etwas war, dann war sie erstmal grundsätzlich dafür und umgekehrt. 

“Aber Anschrift stimmt auch, oder? Sonnenbergstraße, Wiezethal?” fragte Julian Rickmers zur Sicherheit noch einmal nach.

“Huhu? Laura? Bist du da?”

„Ähm, was?“ Sie erwachte aus ihrer Erinnerung. „Äh…ja…das stimmt!”

“Na schön, dann weiter: Cossmann, Niklas, ist da….Diederich, Jonas…ist da…”

Und während Fräulein Rickmers die Liste so weiter runter ging.

Dagmar stieß ihr von links in die Seite.

“Sonnenbergstraße, in Wiezethal?”

“Äh ja?”
“Da wohne ich!” Daggi hielt sich vor Schreck die Hand vor den Mund.

“Oh mein Gott. Ihr seid die Familie, die in das alte Haus vom Professor Pastorius eingezogen ist?”

„Äh ich glaub schon, meine Mutter hat mir gesagt, dass in unserem Haus vorher ein alter Mann gewohnt hat…”

“Heinemann, Dagmar Caroline?!” Fräulein Rickmers war in ihrer Liste bei H angekommen.

Daggi drehte sich erschrocken um.

“Sorry Fräulein Rickmers, aber ich hab grad erst gemerkt, dass wir Nachbarn sind?!” und deutete auf Laura.

Wieder war die Lehrerin verwirrt. “Was?” fragte sie stirnrunzelnd. “Ihr sitzt direkt nebeneinander in einer Bank, natürlich seid ihr Nachbarn?!”

“Ja…nee…sie wohnt in dem Haus neben uns…” versuchte Daggi zu erklären.

“Und ihr seid euch bis eben noch nicht begegnet, auch in den Ferien noch nicht gesehen?” war die ungläubige Rückfrage.

“Äh neee… ich war zwei Wochen im Sportcamp und nicht zu Hause…” Daggi war nun rot vor Scham, und wandte sich verlegen an Laura: “Sorry…”
“Das macht nichts, ich war ja auch nicht viel draußen…” Laura war dies ebenso peinlich und machte sie auch verlegen.

“Na ihr seid mir vielleicht ein Paar Blitzbirnen?!” meinte Fräulein Rickmers amüsiert den Kopf schüttelnd und dabei spaßig die Augen verwirrend. Die anderen in der Klasse mussten unweigerlich auflachen.

Leseprobe: Mädchengeburtstag

Lauras 15. Geburtstag fiel auf den 26. April, einen Samstag.

Schon eine Woche vorher, als sie mit Marie-Sophie und Daggi in der großen Pause in “ihrer” Ecke des Schulhofs abhingen, hatte Marie-Sophie gefragt: “Und, machst du Party?”

Die Frage war Laura unangenehm. Nicht, weil sie sich nicht auf ihren Geburtstag gefreut hätte, sondern weil sie, abgesehen von Marie-Sophie und natürlich Daggi, nicht wusste, wen sie einladen sollte. Und die halbe Klasse einzuladen war nicht ihr Ding. Vor allem, weil Jens dann wieder den super Kumpelvater raushängen lassen würde. 

“hm neee….” sie kratzte sich am Hinterkopf. Eigentlich wollte sie an dem Tag nur ihre Mutter, ihren kleinen Bruder und ihre beiden Freundinnen um sich haben. 

“Oder wir können ins Kino.” schlug Daggi vor. “Meine Eltern können uns fahren, wenn am Abend kein Zug mehr fährt.”

“Aber dann gucken wir uns nur ‘nen Film an, und müssen dann wieder zum Zug. Da hab ich auch irgendwie keinen Bock drauf…also Kino gerne…aber nicht an meinem Geburtstag. Ich sag euch morgen bescheid”

Sie wusste nicht wirklich, was sie eigentlich wollte. “Ich muss erstmal meine Mutter fragen, was die so geplant hat. Und mein bescheuerter Stiefvater.”

“Also wenns wegen der Rückfahrt nach dem Kino ist, dann müssen wir vielleicht hier in Müssen bei Marie-Sophie übernachten.” flaxte Daggi augenzwinkernd.

“Äääähm…das wär zwar cool , aber das geht aus Gründen nicht!” seufzte Marie-Sophie genervt. 

“Ich weiß, war ja nur ein Scherz.“ stellte Daggi klar.

Laura verstand zwar nicht, was bei Marie-Sophie das Problem war, aber sie hatte eine Idee:

“Aber ihr könnt vielleicht bei mir übernachten.”

Marie-Sophie war begeistert: “Au ja! Wir können reinfeiern. Wir machen uns einfach ‘nen netten Mädelsabend zum Vorfeiern, gucken nen Film oder so, schlafen bei dir und dann haben wir den ganzen Samstag um was zu unternehmen…dann müsste ich nur ‘n Kissen mitnehmen.”

“Ich hab zwei” lachte Laura.

“Zur Not hol ich ‘was Bettzeug von mir ‘rüber, sind ja nur 20 Meter“, meinte Daggi.

Lauras Mutter hatte nichts gegen den Plan. Im Gegenteil: Sie hatte schon eine wilde Party mit unzähligen Teenagern befürchtet. Dieser Vorschlag war die wesentlich entspanntere Variante.

“Haben die Eltern von dem anderen Mädchen”
“Marie-Sophie, Daggis beste Freundin und sie ist auch meine Freundin!“

„Haben die denn da auch nichts gegen, dass sie bei dir übernachtet?”

“Nee, das geht in Ordnung!”

Natürlich hatte Marie-Sophies Mutter nichts dagegen – denn sie war erst gar nicht gefragt worden.

Und auch Daggis Mutter, Frau Heinemann, war sehr erfreut über den Plan, denn wenn die eigene Tochter auf dem 15. Geburtstag einer Freundin übernachtet, machen sich alle Eltern Sorgen. Wenn aber die Übernachtung nur ein Haus weiter stattfindet und die Eltern der Freundin zuhause sind, dann sind Gefahren wie “Jungs, Alkohol und Zigaretten oder Drogen” eigentlich ausgeschlossen.

Eigentlich. Mama denkt, Tochter lenkt.

Marie-Sophie hatte eigentlich immer ne Schachtel mit langen dünnen Menthol-Light Zigaretten in der Handtasche, die sie von ihrer Mutter “geliehen” hatte.

Und auch wenn sowohl Laura als auch Daggi bei der Ankündigung der Übernachtungsparty ihren jeweiligen Müttern ein genervtes “orrrr Mama, ich rauch nicht!” entgegen gebrummt hatten, war es doch irgendwie “cool”, mit einem Mädchen befreundet zu sein, das Kippen von ihrer Mutter geklaut hatte. 

Und als am Freitag, dem 25., Marie-Sophie in Wiezethal am frühen Abend vom Bahnhof Richtung Sonnenbergstraße marschierte, hatte sie neben einem Geschenk für Laura auch eine große Flasche Himbeer-Sekt im Gepäck – die sie natürlich auch von ihrer Mutter “nur geliehen” hatte.

Als sie bei Bauers klingelte, war Daggi auch gerade erst von nebenan rübergekommen. Den ganzen Nachmittag hatten die drei Mädchen trotz des schönen und vor allem warmen Wetters mit Hausaufgaben zugebracht. Aber lieber Mathe, Englisch und Latein jetzt erledigt haben, und dafür dann das Wochenende ungestört sein.

Lauras Mutter war gespannt, wer diese “Marie-Sophie” denn sein würde, von der ihre Tochter dauernd sprach; dh. wenn sie nicht gerade über Daggi sprach.

Groß, blond, freundlich – aber mit einer Flasche Sekt. Und die “Versicherung”, dass ihre Mutter sowohl die Übernachtung als auch den Alkohol genehmigt hatte, klang trotz ganz lieben Augen bling-bling etwas unglaubwürdig. Vielleicht war es die Wimperntusche. Aber sie wollte ihrer Tochter Laura den Abend nicht verderben. Da allerdings auch Daggi eine kleine Sektflasche “nur zum anstoßen um Mitternacht” (und von Mutter Heinemann genehmigt) mitgebracht hatte, sah sich Lauras Mutter zu dem Hinweis genötigt: “Trinkt aber nicht zu viel!”

“Orr Mama! Wir passen schon auf!” war die prompte Antwort.

Angesichts der Flasche Himbeersekt schüttelte Lauras Mutter nur augenrollend den Kopf, für sie galt Himbeersekt als Getränk nur für pubertierende Mädchen oder als “Nuttengesöff”.

“Deine Geschenke bekommst du auch erst um Mitternacht – oder morgen früh, aber wir haben dir was mitgebracht!” freute sich Marie-Sophie

“Das wär aber nicht nötig gewesen….Ich freu mich einfach, dass ihr beide mal zusammen bei mir seid!” antwortete Laura bescheiden.

“Und es wird nicht gratuliert vor Mitternacht, weil das bringt ja Unglück!” ergänzte Daggi.

Beim Abendessen in der Küche war dann auch Jens, Lauras Stiefvater, anwesend. Das war das ätzende Übel, das sie hinnehmen musste. 

Aber da ihre Mutter versuchte, sich möglichst neutral mit den beiden anderen Mädchen über “Schule” zu unterhalten, und Jens ihrem kleinen Bruder Johannes erklärte, dass die beiden Mädchen heute über Nacht bleiben würden, hatte sie genug Zeit, um wenigstens eine Brotscheibe ungestört zu essen. Besonders Marie-Sophie schien im Interesse von Lauras Mutter zu stehen, Daggi war ja schon öfters zu Besuch gewesen.

Aber nach Smalltalk, über welche Lehrer gut oder doof sind und überhaupt Fräulein Rickmers ist die coolste, reichte es Laura dann auch. Ungefähr um 20 Uhr meinte sie dann: “Ich glaub wir gehen jetzt mal hoch auf mein Zimmer und gucken unseren Film.”

Die drei verschwanden im ersten Stock in Lauras Zimmer.

Als sie die Zimmertür hinter sich schloss, seufzte sie genervt: „Boah, ey,  endlich sind wir allein!”

“Was denn? Deine  Familie ist doch ganz nett?” wunderte sich Marie-Sophie.

“Ja aber mein Stiefvater…ich bin schon genervt, wenn der im gleichen Raum ist!”

Marie-Sophie wollte noch weiter nachhaken, aber Daggi machte ihr eine Handbewegung, dass das vielleicht keine so gute Idee war, zumindest nicht für den Moment.

Marie-Sophie fand als anderes Thema sofort eines der wenigen Poster an den Wänden.

“Ahhh cool. Estellé. Gefällt mir.” bemerkte sie grinsend und deutete auf das Bild der großen blonden schlanken Sängerin, die mit einem ziemlich knappen Glitzerkleid und hohen Absätzen in einem dunklen Sternenhimmel zu tanzen schien.

„Boah du hast sie mit dem Estellé-Virus angesteckt.” Daggi verdrehte die Augen, während sie das Geschenk und den dazugehörigen Briefumschlag vorsichtig beiseite legte.

Laura war verlegen: ”Joar… Ich wusste halt nicht, was ich sonst aufhängen soll. Aber die weiße Wand hat mich so angekotzt.”

Da sie nicht viele neue Filme hatte, lief auf ihrem kleinen Fernseher “Fluch der Karibik” im TV. Die drei Mädchen hatten es sich auf Lauras Bett mit dem Rücken an der Wand mit Kissen und Decken bequem gemacht. Und während der Film so lief, vernichteten sie anderthalb Tüten Chips und eine halbe Maxiflasche CocaCola. Aber schon in der zweiten Werbepause stand Marie-Sophie auf, und fragte: “Darf ich mich mal bei dir aus dem Fenster hängen?”
Laura verstand im ersten Moment nicht, was sie meinte.

“Sie will eine paffen.” klärte sie Daggi auf.

“hm…ja…wenn das nicht hier rein zieht.” gab Laura das zögerliche Ok. „Ich will keinen Krach mit meiner Mutter bekommen.”

“Ich pass’ schon auf!” 

Und während die Werbung lief, beobachtete Laura, wie Marie-Sophie sich möglichst weit aus dem Fenster lehnte und dabei ihre Zigarette rauchte. Die rot-blonden leicht gelockten Haare, ihre fast schneeweiße Haut, ihr Mund und die Zigarette – im Hintergrund zogen die Rauchschwaden in Zeitlupe nach draußen in den Frühlingsabend. Und dann Marie-Sophies hammer-Figur und ihre langen Beine: Rauchen war zwar ungesund, aber Laura schaute nur fasziniert hin und dachte: Das ist irgendwie “sexy”. Sie fand das irgendwie erwachsen und selbstbewusst. 

Sophie drehte sich Luft zufächelnd um ins Zimmer: „Boah, ist das noch schwül-drückend warm!“

„Ja“, klagte Laura. “Gerade hier unter der Dachschräge. Ich hab nachts auch immer das Fenster auf.” Es war ihr peinlich, dass es in ihrem Zimmer und draußen warm war, obwohl sie ja nichts dafür konnte. Sie wollte, dass Daggi und Marie-Sophie sich wohlfühlten.

“Sollen wir den Sekt schon aufmachen?” fragte Daggi aus heiterem Himmel.

Marie-Sophie schaute Laura an: 

“Es ist doch noch nicht Mitternacht?”

Laura wusste nicht, was sie sagen sollte.

Daggi antwortete stattdessen: “Nee, aber nachher sind wir vielleicht zu müde um zu trinken und pennen ohne Alkohol ein, wenn wir’s nicht bis Mitternacht schaffen. Ich will mit euch trinken.”

In Lauras Kopf herrschte totales Chaos: 

“trinken” – das klang auf einmal nach: was machen, das nicht erlaubt ist. Das was Erwachsene machen, das was vielleicht berauschend ist. Sie hatte ihrer Mutter zwar versprochen, “keine Zigaretten und keinen Alkohol” – aber Marie-Sophie sah sexy aus, und Daggi wollte “trinken”. Also entschied sie, nach außen hin cooler, als sie sich innerlich fühlte:

„Hm…ja ok, komm, mach auf!”

Gerade als Marie-Sophie zur großen Sektflasche greifen wollte, klopfte es an der Zimmertür. Noch bevor Laura “ja?” fragen konnte, schaute das Gesicht ihres Stiefvaters Jens herein.

“Was willst du?” fragte sie genervt.

“Ich wollte fragen, ob ich euch noch ne Matratze aufbringen soll?”

Noch mehr genervt sprang Laura auf, und ging zur Tür: 

„Boah, nein! Wir sind versorgt, danke!”  – und knallte die Tür zu, und drehte den Schlüssel um.

Marie-Sophie sah wieder fragend zu Daggi, die nur stumm mit den Schultern zuckte und den Augen rollte.

Laura seufzte tief.

“Mach den Alk auf!”sagte sie dann. Seit wann sagte sie “Alk”? Sie wunderte sich über sich selbst.

Etwas genervt, und immer in der peinlichen Befürchtung, ihren Freundinnen keine gute Gastgeberin zu sein, seufzte sie wieder: “Dann müssen wir uns halt zu dritt in meinem Bett kuscheln, wenn das für euch kein Problem ist.”

“Also für mich nicht.” meinte Daggi.

“Wird halt was kuschelig, aber das wird schon!” lachte Marie-Sophie, als sie mit gekonntem Griff die Sektflasche nahezu geräuschlos öffnete.

“Hast du da Übung drin?” fragte Daggi verwundert.

„Äh… nee…das mach’ ich zum allerersten Mal!” antwortete Marie-Sophie mit derart theatralisch gespieltem Ernst, dass Daggi und Laura unweigerlich kichern mussten.  

Sie füllten sich die Plastikbecher. Cola war was für Kindergeburtstage, Sekt war etwas für “richtige” Mädchen. Zumindest kam es Laura nun so vor.

“Aber wir spielen kein Flaschendrehen!” Si  e wusste nicht mal, wie man Flaschendrehen spielte, oder woher sie das Wort überhaupt kannte. Es musste ihr zugeflogen sein. Irgendwas passierte an diesem Abend mit ihr – oder in ihrem Hirn. 

“Wenn ihr was wissen wollt, dann fragt einfach!”

Der “Fluch der Karibik” lief nur noch im Hintergrund – sie fingen an zu quasseln. Als erstes, und überhaupt wichtigste Erkenntnis, wurde festgehalten, dass Theresa und Lea zwei absolute hohle Lästerschwestern waren, die nur Scheiße laberten, sobald sie den Mund aufmachten. Nachdem das geklärt war, einigten sie sich in meist einträchtiger Diskussion darüber, welcher Junge in ihrer Klasse und den beiden Parallelklassen denn der süßeste sei – sofern man das über Jungs überhaupt sagen konnte. Marie-Sophie behielt sich ein Veto-Recht vor, was Niklas betraf, denn sie hatte seine Nummer. Daggi und Laura waren einverstanden, obwohl das zwar keine “Beziehung” war, aber immerhin ein Anfang.

“Apropos Beziehung“, hob Marie-Sophie an, als der Film gerade endete, und sie allen aus der Himbeer-Sektflasche nach schenkte, “Gibt es jemanden, den du süß findest? Oder für schwärmst?”

Laura lief rot an. Diese Frage hatte sie befürchtet. Und der Sekt, dh. der Alkohol, den sie heute Abend zum ersten Mal trank, machte es nicht leichter. Der machte alles so locker und leicht. Und sie wollte nicht zu viel verraten, weil sie absolut keinen Plan hatte, was sie eigentlich fühlte.

“Viiieeelleicht…vielleicht…vielleicht…gibt es jemanden“, murmelte sie verlegen.

“Wer wer wer?” Daggi und Marie-Sophie waren mit großen Augen gespannt wie ein Flitzebogen. 

“Ist er in unserer Klasse?“

Laura schlug seufzend die Hände vor ihr Gesicht.

“Ey…ich bin mir noch nicht mal sicher, ob das überhaupt Gefühle sind.” 

Es störte sie etwas, dass Marie-Sophie “Er” gesagt hatte. Sie hatte extra “jemanden” gesagt. Scheiß Alkohol. Scheiß Gefühle. Sie wusste ja in diesem Moment nicht mal, wo oben und unten war. 

“Wenn ich mehr weiß, was ich überhaupt fühle, dann sag’ ich es euch. Versprochen. Aber ich bin mir selbst noch zu unsicher!” Sie sah ihre beiden Freundinnen an.

“Ich bin jetzt erst ein Dreivierteljahr hier bei euch – und ihr seid meine Freundinnen. Meine einzigen. Ohne euch wär’ ich total lost. Danke, dass ich eure Freundin sein darf!”

Daggi nahm sie in den Arm: “Du bist ne süße Maus! Du hast uns irgendwie gefehlt, noch bevor du bei uns warst.”

In Lauras Kopf drehte sich gerade viel zu viel, als dass sie die Aussage einordnen konnte. 

Marie-Sophie, die wieder am Fenster stand, und eine ihrer Menthol-Zigaretten rauchte, schaute die beiden an:

“Ich hab’ so ne Vermutung…”

Laura bekam Angst.

“Was für ‘ne Vermutung?”

Marie-Sophie sog irgendwie besonders langsam, und daher besonders sexy, an ihrer Zigarette. Wie in Zeitlupe blies sie den Rauch zum Fenster raus. Laura war es gerade scheißegal, ob ihre Mutter das morgen noch riechen können würde, und sie dafür Ärger bekäme.

“Was für ‘ne Vermutung?” wiederholte sie.

“Das steht alles in dem Brief, den ich Daggi am Anfang des Schuljahres gegeben habe.” Marie-Sophie lächelte geheimnisvoll.

“Boah Marie-Sophie!“ Daggi war aufgesprungen und an sie herangetreten, “ich lauf gleich rüber zu mir, und mach den Brief auf!”

“Ey!… Du bist meine beste Freundin, und du hast mir versprochen, den Brief erst aufzumachen, wenn ich das sage!” antwortete Sophie-Marie mit erhobenem Zeigefinger, aber irgendwie auch lächelnd.

Daggi schaute sie skeptisch an. “Gib mir auch eine!” sagte sie nach einem Moment des ergebnislosen Nachdenkens und deutete auf Marie-Sophies Zigaretten. 

Jetzt trat auch Laura an die beiden am Fenster. “Für mich auch eine, wenn ich darf?” Sie war froh, dass diese “Vermutung” jetzt erstmal unerwähnt blieb. Wo kam denn verdammte Hacke auf einmal ihr Verlangen nach einer Zigarette her? Laura fühlte sich wie in Trance.

Stumm lächelnd reichte Marie-Sophie den beiden die Schachtel.

Laura las “a Lady’s Fate – Menthol” in goldener Schnörkelschrift auf weißem Grund. Auch wenn die Zigarette kratzte, scharf nach Hustenbonbon schmeckte und das alles verboten und ungesund war – sie fühlte sich frei und unabhängig und gleichzeitig geborgen bei ihren Freundinnen. Keine Ahnung was “Sex” war, oder wie sich “erwachsen sein” anfühlte – aber das hier – mit den beiden am Fenster zu stehen, und Mentholzigaretten zu paffen, das fühlte sich geiler an, als alles, was sie bisher jemals erlebt hatte.

Irgendwann sah Daggi auf die Uhr.

“Mädels…es ist 22.37Uhr. halten wir noch durch bis Mitternacht?”

Laura war schwindelig und schlecht. Deshalb sagte sie erstmal nichts.

Marie-Sophie war zu stolz, um “nein” zu sagen: „Also ich schon!”- Aber am liebsten wäre sie einfach zu Boden gefallen und eingeschlafen. 

“Ich kann nicht mehr!” gestand Laura endlich. Sie hielt es für besser, sich hinzulegen. In diesem Moment war ihr alles egal.

“Jup. Ich auch nicht. ich glauuuube…ich hatte etwas zu viel Sekt…” sprach Daggi, als sie in Richtung Lauras Bett wankte. 

Sie machten sich nachtfertig. Die scheiß BHs ausgezogen, ganz schnell ein T-Shirt drüber und schon lagen sie im Bett. Daggi ganz an der Wand, Laura in der Mitte, und Marie-Sophie an der Bettkante.

“Dann bekommst du deine Geschenke eben morgen früh” gähnte Marie-Sophie.

Laura wollte zwar noch etwas sagen, aber in ihrem Kopf drehte sich alles. 

Irgendwann brachte sie dann doch noch, gaaaanz leicht lallend heraus: “Mädels, ihr wisst schon, dass ich heute zum ersten Mal Alkohol getrunken hab’ ? Und geraucht?”

“Waaas?” fragte Marie-Sophie kichernd.

Es dauerte fünf Minuten, bis die drei an zu schwitzen fingen. Es war einfach zu warm – die Enge im Bett und der Sekt wirken unheilvoll zusammen.

„Boah mir ist echt zu warm!” Daggi setzte sich auf, zog sich das T-Shirt aus und warf es irgendwohin in Lauras Zimmer.

Laura hatte zwar eben, beim Umziehen, – und auch schon öfter in der Umkleide vor und nach dem Sportunterricht –  die ein oder andere Brust ihrer Mitschülerinnen gesehen, sich aber verschämt abgewendet. Aber Daggi war oben ohne  – und Marie-Sophie warf ihr T-Shirt gleich hinterher. Das war Gruppenzwang. Sie tat so, als würde es ihr nichts ausmachen, aber innerlich starb sie tausend Tode. Aber auch ihr T-Shirt flog im hohen Bogen irgendwohin. Und dann ging das Licht aus. 

“Habt ihr euren Mädels eigentlich schon mal Namen gegeben?” fragte Marie-Sophie beiläufig ins Dunkel.

Daggi und Laura brauchten einen Moment, um zu realisieren, was sie meinte, mussten dann aber auflachen.

“Waaas?”

“Ja…ich nenn’ meine Maire und die andere Sophie. Praktisch, wenn man ‘nen Doppelnamen hat.”

„Orr. Dann sind meine Dagmar und Caroline.”

“Na toll”, seufzte Laura, “ich bin nur ne Laura. Ohne zweiten Namen.”

“Dann nenn sie doch Laura1 und Laura2?” kicherte Daggi.

Es verging ungefähr eine Minute, bis Laura antwortete.

“Ich glaube, Laura1 ist n’ bisschen kleiner als Laura2.”

Da der Spruch so aus dem Nichts heraus gekommen war, mußten nun Marie-Sophie und Daggi laut aufgackern.

“1 ist immer kleiner als 2!” kicherte Marie-Sophie. 

“Boah, du Mathe-bitch!” erboste sich Laura giggelnd.

“Hey, süße…mach dir nix draus. Dafür hängt Sophie etwas tiefer als Marie.”

“Kann das sein, dass wir etwas betrunken sind?” fragte Daggi rhetorisch.

“Noooiinnn. gar nicht!”

Sie lagen fünf Minuten stumm und kämpften mit ihrer “Seekrankheit”. 

Dann machte es unter der Decke “pups”.

Marie-Sophie grummelte nur: “Ihr habt nichts gehört!”

Daggi und Laura kicherten wieder.

Nach einer Weile, Lauras Welt drehte sich wieder etwas langsamer, sagte sie:

“Ich glaub’, jeder Junge an der Schule wäre grad voll neidisch auf mich!”

“Warum?” murmelte Marie-Sophie schlaftrunken.
“Weil die hübschesten Mädchen der ganzen Stufe gerade nackt rechts und links in meinem Bett liegen!”

“Aber das hübscheste liegt mittendrin!” murmelte Daggi mit müder Stimme.

“Ich glaub’, mir ist schwindelig!” antwortete Laura – sie wusste nicht, warum ihr schwindelig war. War es der Sekt, Daggis Aussage oder beides zusammen?

“Das ist der Alkohol!” brummte Marie-Sophie, bevor sie einschlief.

Es dauerte nicht lange, da bewegte Daggi sich plötzlich, es schien so, als ob sie ihren Schlüpfer über die Beine nach unten streifte.

„Ähm, was machst du da?” fragte Laura entgeistert aber leise, um Marie-Sophie nicht zu wecken. 

“Mir is warm” murmelte Daggi nur müde.

Laura spürte, wie Daggi wohl etwas langsam unter der Decke mit den Füßen strampelte, um den Schlüpfer auf diese Art loszuwerden. 

“Daggi….” fragte Laura wieder ganz leise, “Was wird das?” Ihr Herz schlug schnell.

„Mir ist warm, ich bin betrunken und hab dich ganz doll lieb!” kam nur als ganz leise gemurmelte Antwort zurück. Und dann schmiegte sich Daggi an Lauras Schulter.

Laura blickte in die Dunkelheit an die Decke. Wenn Licht gewesen wäre, hätte man ihr rot angelaufenes Gesicht sehen können. Aber da Daggi sich nicht mehr bewegte, sondern wirklich auch eingeschlafen war, blieb Laura regungslos liegen. 

“Oh mein Gott…was passiert hier gerade?“ dachte sie nur bei sich.

Es drehte sich zwar nicht mehr alles, aber sie fühlte sich leicht wie eine Feder. Als würde sie über weiße Wolken durch den Himmel fliegen. Auch wenn Marie-Sophie auf ihrer linken Seite lag, aber so nahe an Daggi zu liegen und dieses Gefühl zu haben, von dem sie nicht mal wusste, wie sie es beschreiben sollte, es war bis dahin der schönste Moment in ihrem Leben.

Mit diesem Gefühl schlief sie irgendwann ein.

der traurige Hamster

Eine finstre Macht zwang einen armen kleinen Hamster, der eigentlich etwas andres vorhatte zu tun, ein Musikinstrument zu erlernen.
Der Hamster mochte weder das Instrument spielen, noch die Musik, die er spielen sollte. Das Instrument an sich klang schön, aber der Hmaster sah sich nicht als ausreichend fingerfertig an, um es zu spielen. Und die Musik, die er spielen sollte, war ihm zu laut und zu schnell – kurz, sie war ihm gänzlich unangenehm.
„Aber ich kann das nicht spielen, dafür sind meine Hände nicht flink genug, und ich bin zu klein, um alle Stellen des Instruments zu erreichen! Und die Musik, die ich spielen soll, mag ich nicht leiden! Ich bin ja gar kein Musiker, sondern eigentlich bin ich Garten- und Kochbuchhändler. Ich habe auch gar keine Zeit, ich muß in meinem kleinen Häuschen Bücher verkaufen und schrieben.Ich muß gärtnern und kochen. Zum Musiker bin ich nicht berufen!“ seufzte der Hamster.
Aber die finstre macht zwang ihn unter Androhung aller Strafen. „Du mußt – ob du willst oder nicht!“
Traurig und bedrückt plagte er sich ab, so zu spielen, wie es die finstre Macht von ihm verlangte. Manchmal kullerten ihm Tränchen über seine Hamsterbacken. Viel Zeit, die der Hamster für andere Zwecke hätte aufwenden wollen, in der er gerne etwas anderes gemacht hätte, verbrachte er mit üben. Üben an einem Instrument für eine Musik, die er nicht spielen wollte.

Und als dann der Moment gekommen war, das der Hamster die Musik auf seinem Instrument spielen sollte, da wurde das Konzert abgesagt. Die finstre Macht hatte ihn hereingelegt.
Jetz wurde der Hamster wirklich traurig – und seufzte tief und weinte. „Jetzt habe ich eine Fähigkeit erlernt, und so viel Zeit investiert -alles umsonst.“ Einerseits war er zwar froh, die Musik, die er nicht mochte, nicht spielen zu müssen. Aber andererseits hatte er jetzt dieses Instrument, und wußte nicht wohin damit -und nicht wohin mit sich selbst.
Da kam ein freundliches Wesen, das den armen kleinen Hamster hatte weinen hören, und fragte ihn, was passiert sei. Nachdem der Hamster dem freundlichen Wesen die Geschichte erzählt hatte, legte das freundliche Wesen seine Arme um den Hamster und tröstete ihn. „Du brauchst jetzt nicht mehr zu spielen!“
„Aber ich habe so viel Zeit mit üben verbracht – wider meinen Willen! Das arme Instrument kann ja nichts dafür, denn es selbst klingt ja schön, aber ich sehe mich nicht berufen, es zu spielen. Dazu bin ich nicht kunstfertig genug.“
„Dann werden wir das Instrument jetzt in eine Kiste tun“ sagte das freundliche Wesen „und wenn jemand des Weges daher kommt, der kunstfertig genug und willens ist, darauf zu spielen, dann kannst du dieser Person das Instrument dann schenken.“
„Das ist eine gute Idee.“ seufzte der Hamster, noch immer etwas traurig.
Das freundliche Wesen fuhr fort: „Und ich bleibe jetzt bei dir, nehme dich in den Arm, und wir gucken von der Bank vor dem kleinen Häuschen auf dem Hügel den Schiffen auf dem Kanalfluß zu. Und ich passe auf Dich auf, daß du niemehr gezwungen wirst, etwas zu tun, das du nicht möchtest, um etwas zu erreichen, was du gar nicht willst.“
Da war der Hamster erleichtert. Noch leicht zittrig nach dem vielen Weinen, fühlte er sich nun durch die Umamrmung des freundlichen Wesens nicht mehr allein und endlich sicher gegen finstre Mächte.
Und so saßen die beiden im Sonnenschein auf der Bank vor dem Häuschen auf dem Hügel über dem Flußkanal, und sahen den Schiffen zu.

Blockadeparade

DIES IST MEIN ERSTER[zweiter] BEITRAG ZUR #BlogParade. bzw. DEM PROJEKT #DreiWortStory. ICH HATTE 3 WÖRTER VORGEGEBEN BEKOMMEN. AUFGRUND VON AUSGRÜNDEN, MUß ICH MEINEN BEITRAG IN ZWEI BILDER TEILEN. HIER DAS BILD NUMMER 2:

Wenn man mir eine Idee gibt, oder ein/mehrere Stichwörter, dann habe ich sofort einen fertigen „Film“ vor Augen. Ein Drehbuch vor meinem geistigen inneren Auge, das nur noch abgetippt werden will.

Aber ich muß den Kopf dazu frei haben. Mein Geist arbeitet nach dem „Stapelverarbeitungsprinzip“, d.h. ich kann erst eine Sache beginnen, nachdem ich die vorige Sache beendet habe. Und es gab einen Grund, der mich bis zum 6.10. blockiert hatte, obwohl ich am 4.10. meinen Beitrag zur Blockparade hätte liefern sollen. Als dann dieser innere Knoten am 6.10. vormittags platzte, machte ich mich unverzüglich daran, meinen Rückstand nachzuholen. Eines der mir drei vorgegebenen Worte konnte ich umsetzen (und um dieses „erste Bild“ bin ich sehr froh drum, denn das lag mir irgendwie am Herzen). Ich wollte am nächsten Tag mit Wort 2 und 3 fortsetzen. Es gab bedauerlicherweise unter den Teilnehmern des Projekts „#Blogparade“ ein paar Mißverständnisse bezüglich der Terminvergabe, die erst beigelegt werden mußten.

Mit anderen Worten: ich hab zwar noch versucht, das „zweite Bild“ mit Worten zu malen, und die beiden anderen Worte einzubauen – aber: Unter Druck kann ich nicht. Es wäre ein für mich als schreibender ein unzumutbarer Krampf geworden. Ich bräuchte etwas mehr Zeit, als ich habe. Wohlgemerkt: Das „Drehbuch“ habe ich bereits im Kopf, es ist alles da – nur mir fehlt heute die innere Ruhe dazu, das auch hinzuschreiben. Ich hätte die Worte „Krasstum“ und „Durchlaucht“ sehr wohl in eine Handlung einbauen können – aber ich bin durch den terminlichen Kuddelmuddel aus meiner inneren ruhigen Bahn geworfen worden, das ich es *heute* nicht mehr schaffe, das so umzusetzen, wie ich es gern hätte haben wollen. Ich gehöre nunmal zu den Menschen, die iherr Blogbeiträge – und seien sie von außen betrachtet auch nur höchst fragwürdiger Mist – von vorn bis hinten „durchkomponieren“, „durchstylen“. In jedem dritten Halbsatz liegt eine ironische Anspielung, ein Verweis auf etwas aktuelles oder dergleichen mehr. Aber so eine „Komposition“ braucht Zeit und Ruhe. Energie. Und die hab ich heute Abend nicht (mehr). Ich will ja nicht nur die zwei mir vorgegebenen Worte „raushauen“, ich möchte auch eine Geschichte erzählen, mit der ich selbst zufrieden bin. Und wenn ich sehe „das wird heut nix mehr“, dann lasse ich es (für heute) bleiben.

Das, was ich aber vor meinem geistigen Auge als Drehbuch für Teil 1 sah, das habe ich unter „Das Knicklicht“ verbloggt. Und ich hätte mir ehrlich gesagt inhaltliche Kritik, fast schon einen Shitstorm oder zumindest eine kritische Auseinandersetzung mit dem Inhalt gewünscht, als denn Terminüberschneidungsfragen unter den Projektteilnehmern.

Ich werde das, was ich mir unter dem zweiten Bild vorgestellt habe, noch verbloggen, aber nicht mehr heute. Aber es wäre mehr als unhöflich gewesen, wenn ich einfach garnichts heute mehr geschrieben hätte. Zusehr sind meine Gedanken auch konzeptionistisch um „Durchlaucht“ und „Krasstum“ gekreist. Ich hab angefangen, das nachzuholen, das umzusetzen, was ich wollte – aber es wäre Krampf gewesen, der mich nur unzufriedener gemacht hätte. Umso zufriedener bin ich denn, das ich wenigstens mein „Bild1 – das Knicklicht“ umsetzen konnte – und zwar ziemlich genau so, wie ich es stante pede vor Augen hatte, als mir Sarah Blume die drei Worte übermittelte.

So möchte ich denn nun den literarischen Staffelstab weitergeben:

01.10.2020 https://training-of-o.de/blog/2020/10/01/strandkorb-t-rex-catnails-dreiwortstory-blogparade-for-provokrokant/

04.10.2020 https://senior525.wordpress.com/2020/10/06/das-knicklicht/

10.10.2020 https://bdsmkettensklave.wordpress.com/

13.10.2020 https://provokrokant.wordpress.com/

15.10.2020 https://sofiesgeheimewelt.wordpress.com/

16.10.2020 https://www.sarah-blume.de/2020/10/16/erdbeermarmelade-ropemarks-schwimmbad-dreiwortstory-blogparade-for-positivchen/

das Knicklicht

DIES IST MEIN ERSTER BEITRAG ZUR #BlogParade. bzw. DEM PROJEKT #DreiWortStory. ICH HATTE 3 WÖRTER VORGEGEBEN BEKOMMEN. AUFGRUND VON AUSGRÜNDEN, MUß ICH MEINEN BEITRAG IN ZWEI BILDER TEILEN. HIER DAS BILD NUMMER 1:

Zu den wichtigsten Problemen der internationalen Frauenbewegung und den Kampf für Frauenrechte gehört es zu allervörderst, daß sich Frauen schon sexuell übergriffig mißbrauchsnah behandelt fühlen, wenn ein Mann sie auch nur von weitem anlächelt. So ist das zumindest auf twitter.
Da twitter aber nichts mit der realen Welt zu tun hat, kommen wir zu etwas handfesterem:

In den landschaftlich schönen Ländern des Balkans, irgendwo zwischen Transnistrien (ein Land, das besser nicht von Transmenschen betreten werden sollte) und der griechischen Grenze, zwischen Klagenfurt und Tirana gibt es sie noch: die Garagenkeller.
Wo 12,13 14 jährige Mädchen auf schimmeligen Matratzen von „professionellen Stechern“ „eingeritten“ werden, d.h. sie werden durch sexualisierte Gewalt und Mißbrauch gefügig gemacht, um sie dann in westeuropäischen Menschenhändlerringen dem (Edel- und Sonderwunsch-) Prostitutionsgewerbe zuzuführen.
So auch in einem speziellen Fall, einem verschlafenen Nest namens Târfă. Hier hatten einst die Kommunisten in den 50er Jahren in speziellen Gefängnissen politische Oppositionelle so lange psychisch gefoltert, bis die Gefangenen sich gegenseitig bei der Geheimpolizei denunzierten, den Kommunismus priesen und ihre eigene Exkremente aßen. Hier hatte Ceaușescu eines seiner Waisenhäuser, in dem viele unschuldige verwahrloste Kinder bei völliger Dunkelheit in ihrem eigenen Kot und Erbrochenen sitzend ein nichtmal tierwürdiges Dasein fristen mußten.
Und hier wurden und werden immer noch, jetzt 2020, minderjährige Mädchen „einegritten“. Mißbraucht und gefügig gemacht.

Wenn in Westdeutschland oder Frankreich, in Großbritannien oder den Vereinigten Staaten, ein Millionär eine 12jährige vögeln will, dann tut er das. Er kann sich das Fickzeug im Internet bestellen – und bekommt es auch nach maximal zwei Wochen Wartezeit geliefert.
Es sind nicht nur Millionäre, es sind Staatssekretäre, Vorstandschefs, die sowas tun. Männer, für die Edelprostituierte wie Ophelia, Remi oder MarieMoreau bloße nette Zwischendurchficks sind. Und auch nur, wenn man sich dazu herabläßt. Was wirklich in den Wochenendbungalows der reichen Männer Westeuropas und Nordamerikas vorsichgeht, davon können gewöhnliche Kit-Kat-Club-Besucher nur feucht träumen. Und alle anderen nachgeordneten, dh. sexpositiven, feministischen, bdsm-angehauchten deutschen Twitteraccounts können sich das nicht mal ansatzweise vorstellen.

Nun steht es außer Frage, daß hier Unrecht geschieht. Unrecht an jungen Frauen und Mädchen. Was ist also zu tun? Die Polizei rufen? Etwa die Polizei eines solchen Balkanstaates? Der örtliche Polizeichef riecht nicht nur nach Wodka und Knoblauch: Er ist auch der Bruder des Besitzers der Kellergarage von Târfă.
Europol? – also bitte! Es soll ja auch mal was getan werden, nicht nur gut gemeint.
Interpol? – Trotz Gelegenheitstreffern gegen das internationale organisierte Verbrechen: aber bitte… solch eine Kragenweite ist illusorisch. Die zuständigen Staatssekretäre sind im übrigen in der Kundenkartei.

Nun ist es aber mal so, daß es im Lande des Chefs, wie in jedem anderen souveränen Land auch, eine eigene Armee gibt. Mit ihren Teilstreitkräften. Heer, Marine und Luftwaffe.
Und es gibt Länder, in denen gibt es noch eine vierte, zB die Nationalgarde. Im Lande des Chefs ist das das „Waffen-ZA„.
Bevor Sie sich erschrecken: 1. ja ich weiß wonach das klingt. aber 2. ist eine politisch-inhaltliche Nähe aus der Natur der Sache heraus unwahrscheinlich.
Das ZA ist eine Organisation ausschließlich von und für Frauen. Homo- und bisexuelle junge Frauen. Sehr karitativ, mit Frauenhäusern, Bildungseinrichtungen, Schulen und Krankenhäusern.

Aber es gibt da eben auch diese sehr, sehr kleine Eliteeinheit, das „Waffen-ZA“. Explizit junge homo- oder wenigstens bisexuelle Frauen, die sich freiwillig zum Dienst an der Waffe gemeldet haben – um unterdrückten Frauen auf der ganzen Welt zu helfen.
Ausrüstung, Bewaffnung und Drill sind allerdings sooo preußisch-doitsch, daß der unbedarfte Betrachter verzweifelt auf den Guido-Knopp-Knopf drücken möchte. Exerziert wird im Stechschritt, die Uniformen sind feldgrau mit Stehkragen, die Kragenspiegel schwarz mit doppeltem silbernen Venuszeichen (ein paar faschistoide Anleihen nimmt man sich doch) – erst seit neuestem sind die Schulterlitzen regenbogenfarben.

Auch die Ausbildung ist hart und brutal: Alles, was man körperlich einem jungen Menschen abverlangen kann, wird ihnen abverlangt. Normalerweise bringen Frauen 70% der Körperleistung einer vergleichbaren Männergruppe.
Das Waffen-ZA ist stolz auf seine 83% Vergleichsleistung. Die Nahkampf-, Überlebens- und sonstigen Trainings orientieren sich nicht an Luschenvereinen wie den Navy-Seals oder der Bundeswehr. Nein, diese Mädchen im Alter von 17-27 Jahren, robben nach Methoden der franzöischen Fremdenlegion, der Waffen-SS und der israelischen Armee durch den Schlamm, springen über Stacheldraht, graben sich ein, verschmelzen mit dem Wald.
Meist aus schwierigen Familienverhältnissen (saufende Mutter oder grabschender Vater oder saufend+grabschender Onkel etc.) stammend, und wie leider immer noch viel zu viel üblich, unsicher über das anerkennen, selbstfinden und ausleben der eigenen sexuellen Orientierung, finden diese jungen Frauen im ZA (und besonders im Waffen-ZA) ihre Heimat. Ihre „Gruppe“, der sie sich zugehörig fühlen.
Die bereits verstorbene Gründerin des ZA, Sally o’Connor, hatte das dem ZA so ins Stammbuch geschrieben – und auch die derzeitige „Oberlesbe-ZA“ (ja, wie Reichsführer-SS), Johanna deClerk änderte nichts daran. Es gab einen Korpsgeist, auf den sie eingeschworen wurden: Von der einfachen Kampflesbe, über die Schwester, Großschwester, Oberschwester bishin rauf zur Oberlesbe.
Nun wäre es aber falsch anzunehmen, das „Waffen-ZA“ als „den bewaffneten Arm der LGBTQ+ Bewegung“ zu bezeichnen: „Und wenn tausend Schwule und Transen wehklagend am Wegesrand liegen, die Kolonne des ZA marschiert unbeirrt weiter voran für die lesbische Weltrevolution!“ – so ein Ausspruch, über deren Urheberin sich der wohlwollende Mantel des Schweigens hüllt.
Ebenso das Bekenntnis „Das ZA fürchtet Gott- sonst nichts auf der Welt!“ ist in Verbindung mit der Tatsache, daß innerhalb des ZA Frauen sogar nach kirchlich-katholischem Ritus heiraten dürfen (Hierfür hat der Chef ein eigenes Konkordat zwischen ihm und dem heiligen Stuhl ausgehandelt!) und der Aussicht auf Hinterbliebenenpension der Lebenspartnerin („Ehefrau“), Dienstdildo und voller Lohnfortzahlung im Vollrauschfall wenig geeignet, das „Zentralamt für Missionierung und Bekehrung zur lesbischen Liebe“ -kurz „ZA“- zu einem sympathischen Verein zu machen.

Aber dieses Land hat nun mal dieses Instrument einer besonderen Spezialeinheit. Tja nun.
Mehrere hundert Kilometer nordwestlich des Balkans: Es ist Anfang September. Der erste Herbststurm weht pfeifend durch die Tannenwipfel eines recht deutsch wirkenden Mittelgebirges.
Es ist 5:30 Uhr morgens: Ein Trupp von 47 Kampflesben, geführt von zwei Schwestern und einer Oberschwester ist völlig übernächtigt – und trotzdem voller Endorphine: Sie haben die Ausbildung endlich hinter sich! Der Drill ist vorbei! Nie wieder stundenlang im Stechschritt über den Kasernenhof, nie wieder sinnloses aufspringen, hinlegen, rennen, hinlegen, aufspringen -nachts und unter Wasser. Vorgestern sind sie aus 5000m Höhe aus einem Flugzeug gesprungen, hatten 50km zu Fuß zurückgelegt, auf dem Bauch robbend, waren durch eiskalte Bäche geschwommen, hatten biwakiert, lieber das Moos aus der medizinischen Grundausbildung gegen die Regelblutung benutzt, als das vorgeschriebene höchst fragwürdige Diensttampon aus kratzigem Zellstoff der Marke „Aurora“, das mehr Blutungen verursachte, als das es sie aufsog: Es war nun alles scheiß egal. Sie hatten es fast geschafft.
Die 26jährige Oberschwester, die die „Ausbildungskompanie Nr.2“ kommandierte, schrie ein letztes Mal mit kratziger Stimme: „Aaaaabteilung stillgestanden!
Müde Gesichter, schwarz von Ruß, Lehm und Tarnfarbe, drehten sich um. Koppelschlösser mit der Aufschrift „Sappho mit uns!“ wurden ein letztes Mal gerichtet. Das FG42 ein letztes Mal gesichert und geschultert.
Wenn ich sage stillgestanden, dann steht ihr stramm und preßt die Fotze zusammen, das ein 5-Markstück die Prägung verliert, ist das klar?!
Jawohl Frau Oberschwester!“ krächzte es aus 45 heiseren Mädchenkehlen zurück.
Iiiin Marschformation: Aaabteilung Marsch!
Die beiden Schwestern bellten ihre Züge an, wie Schäferhunde, die ihre Herde zusammenhalten.
Und dann ging es auf die letzten 7 Kilometer ihrer Ausbildung: Einfacher Marsch durch den frühen Herbstmorgen. Im Dunkeln. Im Sturmesrauschen, das durch die Tannenspitzen pfiff.
Die Luft war ungewöhnlich drückend warm, als sie sich über das Kopfsteinpflaster der Landstraße in Bewegung setzten.
Schon in einer Woche stand für manche Mädchen der „Ausbildungskompanie Nr.2“ der erste echte, wirkliche Einsatz an:

Sie sollten mit dem Fallschirm über einer Stadt auf dem Balkan abspringen, und minderjährige Mädchen aus der Gewalt ihrer Peiniger befreien. Wenn es sein mußte, mit Waffengewalt.
Doch das wußten sie jetzt noch nicht.
Jetzt dachten sie nur daran, das es nur noch sieben Kilometer bis zum Ende waren. Sieben Kilometer, in denen die Blasen an den Füßen icht mehr weh taten, in denen die Sport-BHs unter der Uniform auch nicht mehr drückten… einfach nur noch sieben Kilometer – und dann ins Bett fallen, sich besaufen. Und die Oberlesbe-ZA, den Chef, den Papst oder Gott und wen zur fickenden Hölle auch immer „einfach nen guten Mann sein lassen“. Alles, was jetzt zählte, war das Divisionsbesäufnis und die anstehenden Beförderungen. Und einfach nur ein Bett, in das man sich fallen lassen konnte.

Die Oberschwester hatte noch einen letzten motivierenden Einfall: „Eiin Liiieeed!
Und zum letzten Mal, endorphingeschwängert, voll mit Pervitin und und Selbstbewußtsein sangen sie mit heiseren Mädchenstimmchen ihr Lied:

Ja wer marschiert /
in Männerland /
und singt ein Teufelslied?
Ein Mädel steht am Rheinesstrand /
und leise summt sie mit /
Wir scheißen auf unten und oben /
Und uns kann die ganze Welt /
Verfluchen oder auch loben /
Grad wie es ihr wohl gefällt /

Wo wir sind / da ist immer vorne /
Und der Teufel / der lacht noch dazu /
ha ha hahaha /
Wir kämpfen für Sappho / den Frauen zur Wehre /
die Männer komm’n nicht mehr zur Ruh‘ /

Da es noch dunkel war, trug die Erste in der Marschkolonne ein grünes, und die Letzte der Marschkolonne – zur Kenntlichmachung der Kolonne gegen den Straßenverkehr ein rotes KNICKLICHT.

Teilnehmer der Blogparade:

01.10.2020 https://training-of-o.de/blog/2020/10/01/strandkorb-t-rex-catnails-dreiwortstory-blogparade-for-provokrokant/

04.10.2020 https://senior525.wordpress.com/2020/10/06/das-knicklicht/

10.10.2020 https://bdsmkettensklave.wordpress.com/

13.10.2020 https://provokrokant.wordpress.com/

15.10.2020 https://sofiesgeheimewelt.wordpress.com/

16.10.2020 https://www.sarah-blume.de/2020/10/16/erdbeermarmelade-ropemarks-schwimmbad-dreiwortstory-blogparade-for-positivchen/

#Blogparade

Die Kink-Aufsichtsbehörde

(dpa)(Reuters)(rhpa)

Hauptstadt. Nachdem es in den letzten Wochen und Monaten in den sozialen Netz- und Hetzwerken immer wieder zu grob fahrlässiger Verbreitung von Un- und Dummfug bezüglich BDSM, kinks, Übrgriffigkeit und Feminismus gekommen ist, zieht die Regierung nun die Notbremse:

Zum 14. Juli nimmt die neu gebildete Kink-Aufsichtsbehörde in ihrem eigens errichteten neuen Dienstgebäude am Gräfenbergplatz/Ecke Wartenbergstraße ihre Arbeit auf. Ab diesem Stichtag entscheidet alleine die Kink-Aufsichtsbehörde, was im BDSM-Bereich angemessen oder verboten, übergriffig oder erlaubt ist. Bislang werden entsprechende Urteile von oft nicht qualifizierten und/oder ahnungsfernen Privatpersonen (Blogger, Gurus, Podcastern, Aktivisten) ausgesprochen. Dies sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Empörung un Unverständnis in der Szene. Künftig haben einzig die Entscheidungen der Behörde Gültigkeit, sie werden nicht angefochten werden können, und sind nur durch einen päpstlichen Dispens oder ein Veto des Chef zu revidieren.

Grundlage für die Arbeit der Kink-Aufsichtsbehörde ist zum einen das Schlampenschutzgesetz (SchlSchG, 2004) zur Förderung der selbstbewußt fickenden Frau (§147, Abs.2-5), sowie das Jungefrauenförderungsgetz nach Maßgaben des ZA (JffGZA, 2001) zur Wiederaufrichtung gefallener Mädchen (§35, §37 und §38a), sowie das Bildungsgesetz zur Verhinderung der Verbreitung von Dummschwätzerei (BGVVD, 1990, 1998, 2009-14) zur Haltsmaulhaltung-sonst-explodiert-hier-gleich-was (§2, §3a,b und §5).

Auf unsere Frage an die kommissarische Leiterin der Behörde, Ministerialdirigentin Gräfin Daniela-Ghislaine Freiin von Geiselhardt-diMarci (Oberschwester i. Waffen-ZA d.Res., EK II, MdR, Anm. d.R.), warum nicht das „güldene Buch des BDSM“ als Grundlage für die Arbeit der künftigen Kink-Aufsichtsbehörde herangezogen wurde:

Zum einen steht in diesem Buch bekanntermaßen sehr viel Unsinn, zum anderen schreiben wir den Leuten nicht vor, was sie tun sollen, wir überwachen lediglich die Einhaltung der vernunftbezogenen Regeln und schlichten Streitfragen mit behördlichen Bescheiden. Bubble-Battles wie in der letzten Zeit auf twitter, werden damit künftig der Vergangenheit angehören.

Frau von Geiselhardt-diMarci, wem wird die Arbeit der Kink-Aufsichtsbehörde am ehesten nützen?

Im Vordergrund stehen alle traurigen, verheirateten, berufstätigen Mütter bzw. Frauen – die endlich, endlich mal hart rangenommen werden wollen, aber durch das hochtrabende Luxus-Muschi-Gehabe von selbst ernannten Aktivistinnen derartig eingeschüchtert sind, das sie sich in ihr unglückliches unterspanktes Dasein zurück ziehen. Es kann einfach nicht sein, das solche Frauen von diesen Aktivistinnen erweckt und wachgeküßt werden, und dann durch suboptimale Spieldates mit unterqualifizierten Doms in fragwürdigen Hotelzimmern entmutigt, sich wieder in ihre Aramsamsam-Home-Schooling-Schneckenhäuser zurückziehen. Diesen Frauen wollen wir helfen. Daher werden wir an diesen beiden Punkten, den falschen Propheten, wie auch den ungeeigneten Doms, ansetzen.

Mit welchen Instrumenten wird die Kink-Aufsichtsbehörde arbeiten?

Wir werden neben den Kontrollen des gesetzlichen Mindestspankings, der vollen Kuschelfortzahlung im Absturzfall auch die Kontrolle, Ausstellung und Entziehung der Dominanz-Lizenz übernehmen, da sich zur Zeit leider viel zu viele Menschen beiderlei Geschlechts zum „Dom“ bzw. „Dommse“ sein berufen fühlen, die selbst unser Chef, selbst an eineim schlechten Tag, zum Frühstück essen würde. Ganz wichtig ist aber, das wir rechtsverbindliche Grundsatzentscheidungen werden treffen können, zB zum Thema „Übergriffigkeit“. Da werden teilweise von Menschen Sachen in die Welt gesetzt, die in letzter Konsequenz dem BDSM nur abträglich sind, weil sie junge und/oder unerfahrene Menschen fehl und irreleiten.

Können Sie darauf etwas näher eingehen, gnädige Frau?

Im vorliegenden Fall handelt es sich noch um ein laufendes Verfahren, zu dem ich mich derzeit noch nicht äußern kann. Allerdings kann ich es so grob umschreiben: BDSM ohne Übergriffigkeiten, ist, als ob man in der Formel 1 nur noch mit Elektroautos führe. Das ist dann aber keine Formel 1 mehr, sondern die Formel E. Also langweilig.

Kein BDSM mehr?

Richtig. Gerade im Bereich des D/s: BDSM ohne Übergriffigkeit, Krieg ohne Munition, Bier ohne Alkohol: man braucht gar nicht erst anzufangen. Wer etwas anderes behauptet, wird in Zukunft mit dem eigens ausgearbeiteten neuen Strafenkatalog in Berührung kommen, oder zumindest eine Nachschulung durchlaufen müssen.

Was wollen Sie verhindern?

Es kann zB. nicht sein, daß unqualifizierte Männer, oder aber Frauen, die noch nie ein Kind zur Welt gebracht haben, anderen Frauen, die Mütter sind, irgendetwas über Schmerzen erzählen wollen. Ich selbst hatte eine Totgeburt. Wer körperliche oder seelische Schmerzen nicht kennt, soll sich diesbezüglich nicht zum Lehrer über andere aufschwingen. Genausowenig kann es sein, das den Frauen, die sich nach einem Mann sehnen, der sich nimmt, was er will, erzählt wird, sie seien Opfer eines Übergriffs – und sich dadurch verunsichert fühlen. Es gibt sie, diese Frauen, hundertfach, tausendfach. Und es kann nicht sein, das dominante Männer a priori zu bösen Cis-Predatoren erklärt werden, weil sie die Schlampe aufs Bett drücken, im Nacken packen und in den Arsch ficken bis es qualmt. Wenn die selbstbewußte Frau und Schlampe das möchte, ist das kein mißbräuchlicher Übergriff, sondern einvernehmliches Ficken. Und für diese Leute werden wir da sein, und kämpfen.

Wie wird ihre Arbeit in Zukunft aussehen?

Wir werden Urteile fällen, die unumstößlich sind. Wir werden dominanten Menschen auf die Finger sehen, wir werden submissiven Menschen Hilfe geben – aber auch beide in ihre Schranken weisen, wenn sie wider die Vernunft und den gesunden Menschenverstand Unsinn schwafeln, und damit weite, unterspankte Menschen in innere Unsicherheit und Verwirrung bringen.

Wir bedanken uns bei der Ministerialdirigentin Gräfin Daniela-Ghislaine Freiin von Geiselhardt-diMarci für diese Ausführungen. Die Kink-Aufsichtsbehörde wird einen vorläufigen Personalbestand von 147 hauptamtlichen verbeamteten Mitarbeitern haben (zu einem Drittel abkommandiert von der Rechtsabteilung des ZA), und zunächst ein mobiles para-Tactikon (Sondereinsatzkommando) von 50 Mann zur Verfügung haben.

Fiona – Teil 4

Die liebe Provokrokant hat ein kleines Twitterprojekt gestartet: Wir schreiben zusammen Geschichte. Eine Fortsetzungsgeschichte, um genau zu sein. Das Prinzip ist dabei schnell erklärt: Sie denkt sich die Grundpfeiler einer Geschichte aus, und einjeder schreibe dort weiter, wo der Vorherschreibende aufgehört hat. Was am Ende dabei herauskommen wird, wissen wir selbst noch nicht und genau das macht es so spannend. Die Teile 1-3 findet ihr hier:

Teil 1: Provokrokant

Teil 2: Madame X

Teil 3: TamyStinson

TEIL 4

Alles, was in den vorigen Episoden bisher um und über Fiona erzählt wurde, ist auch so geschehen. Aber es ist nur die halbe Wahrheit. Daher ist diese, meine Fortsetzung etwas länger ausgefallen.

[Intro]
„Vergessen Sie den Klimawandel … Ich habe eine bessere Story für Sie!“
-das waren fürs erste die letzten Worte, die Chris sprechen sollte. Denn ein harter Schlag traf in am Hinterkopf. Es wäre auch unwahrscheinlich gewesen, wenn Chris` Chef, Herr Meier, auch nur ein Wort von der Story mit der unsichtbaren Studentin geglaubt hätte. Chris fiel in Ohnmacht. Verantwortlich waren dafür zwei Männer. Südländischer Typen, schwarze Maßanzüge, schwarze Sonnenbrillen. Während der eine Schmiere stand, durchwühlte der andere mit stummer, wortloser Coolness Chris‘ Taschen und nahm ihm nur sein Smartphone und seine Kamera ab. Sie ließen ihn liegen – das er nur bewußtlos und nicht tödlich getroffen war, lag an ihrer professionellen Ausbildung. Zu Chris‘ Glück war der Vorgang nicht unbeobachtet geblieben: Es war, als versteckten sich um diese Uhrzeit hinter jedem Busch des botanischen Gartens noch mehr Personen. Eine Frau, breitschultrig, mit kurzen pinken Haaren (mit silbernen Strähnen), in Tarnhose und Biker-Jacke, zwängte sich durch das Gestrüpp. Ihr folgte ein ziemlich großes Kaninchen. Sie kniete bei Chris nieder, fühlte seinen Puls. „Ach … was ist das wieder für eine Scheiße?!“ seufzte sie.
„Ist der junge Mann tot?“ fragte das Kaninchen.
„Nein. Nur bewußtlos …“ antwortete sie, als sie Chris‘ Puls gefühlt hatte. Dann sah sie sich um. „Sehen Sie irgendwo das Mädchen?“
Das Kaninchen lugte vorsichtig nach allen Seiten, schnupperte in jede Himmelsrichtung: „Nein. Sie ist verschwunden. Nichts zu sehen. Mümpf!“
„Na schön …“ seufzte die Frau. „Bringen sie den Jungen hier ins Krankenhaus. Ich habe noch etwas zu erledigen …“
„Aya aye!“ murmelte das Kaninchen, als die Frau sich ihre Motorradjacke wieder zuzog.

Es passierte noch allerhand in dieser Nacht in und um Kiel:

Unweit des Hafens, auf halber Strecke zwischen der Innenstadt und dem Marineehrenmal Laboe, auf dem Ostufer der Kieler Förde, gab es eine Gasexplosion in einem Chinarestaurant. Drei Tote Chinesen. Wenn es diese Explosion in die Schlagzeilen geschafft hätte, hätte es viel Spekulation um einen „ausländerfeindlichen Anschlag“ gegeben. Aber weder die Polizei, noch das Landeskriminalamt, noch der Bundesnachrichtendienst und auch nicht das Konsulat der Volksrepublik China hatten ein gesteigertes Interesse, die Tragödie publik zu machen: Das fragliche Restaurant war die Zentrale und der gewöhnliche Aufenthaltsort des chinesischen Geheimdienstes in Schleswig Holstein. Die drei Toten waren Agenten, die normalerweise die Schiffe der deutschen Bundesmarine im Hafen überwachten. Normalerweise. So aber stieg mitten in der Nacht eine Person auf ein Motorrad, und fuhr davon. Kurze Zeit später gab es den großen Knall. Für die chinesische Militärspionage war hier nicht Neujahr, sondern erstmal Aschermittwoch.

Zur gleichen Zeit, in der Kieler Innenstadt, trank eine Frau Wodka mit einem Mann. Hotelzimmer. Knisternde Erotik. Laszive Blicke. „Was genau machst du in Deutschland, Sergej?“ fragte die Frau.
„Ich bin geschäftlich unterwegs …Import/Export.“ grinste der Mann mit russischem Akzent.
Sergej Sukawitsch Trachadromow dachte nicht im Traum daran, dieser deutschen Luxusmuschi zu erzählen, das er im Auftrag des FSB in Kiel war. Das Mädchen war auch nicht mehr ganz taufrisch, schon Mitte 30. Anwältin. Aber sie war intelligent, willig und verfügbar. Und schlank. Nicht so eine mopsige Matka wie zu Hause in Jekaterinenburg. Und deutsche Frauen haben bessere Zähne. Geben sogar Blowjobs. Und wenn man richtig viel Glück hat, lassen sie sich sogar in den Arsch ficken. Das macht zwar Spaß, ist aber ein Beweis für die Verweichlichung des Westens. Alles Arschficker. Wie die Amerikaner, diese Schwuchteln.
Sergej sah die Frau an – sie zog ihren BH aus. Sie hatte nur noch den schwarzen Slip und halterlose Strümpfe an. Ein russisches Mädchen wäre nie so unanständig. Sie räkelte sich über das Bett zum Nachttisch. Eilig schnupfte die Frau weißes Pulver von einem kleinen Tablett.
„Komm …fick mich, Sergej!“ Der russische Agent lockerte sein breites Kreuz, trat an das Bett und beugte sich zur Frau herunter. Gerade, als er ihr die Beine auseinander drücken wollte, um dieser deutschen Gelegenheitsmöse zu zeigen, was ein richtiger Mann ist, spürte er ein Stechen in der rechten Seite. Wenn der FSB noch der KGB wäre, wäre die Ausbildung der russischen Auslandsagenten besser gewesen. So aber war Sergej das silberne Stilett entgangen, daß die Frau in der Bettwäsche versteckt hatte. Es war ihm auch nicht aufgefallen, daß diese Frau ihn absichtlich in der Hotelbar angesprochen hatte. Die Spitze steckte tief in seiner Leber. Das austretende Blut war fast schwarz. Das letzte was Sergej sah, war das entnervte, gelangweilte Gesicht der Frau. „Mach schon … stirb endlich!“ seufzte sie. Während er langsam verblutete, wälzte sie sich unter dem sterbenden Koloß hervor.
„…ich hoffe, das wars wert!“ fluchte sie in sich hinein.
Da stand sie nun. Blutbefleckt, halbnackt, zugekokst und auch etwas geil.

„Ich hasse Studentenwohnheime!“ seufzte ein Mann, als er durch ein Studentenwohnheim in einem Außenbezirk Kiels tappste. Das richtige Zimmer suchend. „Amerikanische Studenten. Saufen Tequila und Jägermeister bis zum umfallen. Wissen aber nicht, daß Alaska mal zu Rußland gehört hat …“ grummelte er in sich hinein, als er den endlosen Korridor entlang ging. Hinter der einen Tür hörte man ein Skype-Gespräch auf arabisch. Hinter der anderen kochten wohl zwei Asiaten. Hinter der nächsten lebte ein kiffender Informatikstudent. Dann hatte er das richtige Zimmer gefunden. „Meredith Zimmerman“ stand an dem Namensschild neben der Tür. Er klopfte. Die US-amerikanische Biologiestudentin öffnete tatsächlich die Tür.
„Miss Zimmerman?“ fragte der Mann höflich.
„Yes …?“ die junge Amerikanerin war verwirrt und müde. Anscheinend hatte sie schon im Bett gelegen.
Der Mann antwortete nicht. Eine schallgedämpfte Walther-PPK, Kaliber 7,65mm, war die Antwort. Es machte „zumm-zumm“. Ein Schuß ging mitten in die Stirn, der andere in Merediths rechtes Auge. Ihr Hinterkopf zerplatzte – blutige Gehirnmasse, Schädelteile und Haare flogen an die Wand des kleinen 1-Zimmerappartements, noch ehe ihr zuckender Körper dumpf zu Boden gefallen war. Der Mann drehte sich wortlos um, und verließ das Studentenwohnheim genauso still, wie er es betreten hatte. „Ficken wäre jetzt geil!“ war alles, was er dachte.

[Kamera Umschnitt]
„Einen Tag später“ [Kamera-Einstellung: langsamer Helikopterflug über Kiel]
(aus dem Off hört man die Stimme eines Mannes und einer Frau. Mann spricht(mit rheinischem Akzent) )

„Warum können wir nicht irgendwas mit Marzipan machen?“
„Das ist Lübeck! Wir sind aber in Kiel!“
„Und das Stadttor?“
„Das ist aber in Lübeck!“
„Und was mit Seefahrtsgeschichte, der Werft auf der Lastadie?“
„Die ist in LÜBECK!“ „Und warum sind wir dann in dieser Landeshauptstadt von Hedwig-Holzbein, die nichts zu bieten hat? Außerdem reden hier alle wie in einem Werner-Film?!“
„Orrr!“
„Is doch wahr ….jeden Moment kann Meister Röhrich hier um die Ecke getüddelt kommen …?! Hier gibts bloß Handball und die Marine?!“
„Orrrrrr! Das Komitee hat nun mal Kiel als Handlungsort festgelegt! Die Kleine studiert nun mal hier, und nirgendwo sonst!“
„Driss! …Hast du den Russen erledigt?“
„Orr … erinnere mich nicht dran! Mundgeruch und Haare überall. Als ich fertig war, mußte ich mich abreagieren. Hab die Barkeeperin vernascht.“
„Du bringst jemanden um, und hast noch Zeit zu vögeln?“
„Was denn? Ich hatte gekokst und war rattig. Wie liefs mit der Amerikanerin?“
„Kurz und schmerzlos. Und nein, ich hab mich nicht abreagiert!“

[Kamera-Umschnitt: Fußgängerzone Kiel. Es ist der Vormittag nach den soeben geschilderten Ereignissen. Es hat geregnet. Über das nasse Pflaster der Innenstadt klackert ein Paar Stiefeletten. Es ist Fiona. In einem schwarzen Regenmantel.]

In unendlich vielen Gedanken versunken lief Fiona schon seit einer Stunde durch die Kieler Innenstadt. Unsichtbarwerden bei Wut. Unsichtbarwerden beim Orgasmus. Ihre Großmutter, die ihre Fähigkeiten bemerkt hatte – über 600 Kilometer hinweg. Und Chris war über Nacht nicht nach Hause gekehrt. Marleen hatte nur schulterzuckend gemeint, das könne bei ihm hin und wieder vorkommen, wenn er auf Motivsuche in der Stadt unterwegs war. Aber etwas verunsichert war auch sie. Fiona fühlte sich irgendwie unbehaglich, also ging sie in der Altstadt Kiels spazieren. Sie war so tief in ihre Gedanken versunken, das sie nicht merkte, wie eine andere Frau ihr erst heimlich folgte, um dann eiligen Schrittes zu ihr aufzuschließen. Als sie neben ihr war, sprach sie Fiona an: „Entschuldigung: Bist du Fiona?“
Erschrocken drehte diese sich um. „Ähh …jaa?“
Fiona musterte die Frau. Sie war Mitte 30, trug schwarze Lederstiefel, Bluse, Rock und Regenmantel. Schulterlanges dunkels Haar, das von einer Haarspange auf Seitenscheitel gehalten wurde. Albern, wie mit 12. Dafür saß aber auf einer spitzen Nase eine randlose Brille mit rechteckigen Gläsern.
„Wer Sind sie?“ fragte Fiona noch immer verwirrt. Sie hatte noch nicht einmal Angst.
„Ich bin „die Rechtsanwältin.“ Das muß erst einmal genügen. Vertrau mir bitte, ich möchte dir jemand vorstellen …“
Unmerklich nahm sie Fionas Arm, und wollte sie mit sich ziehen.
„Was wollen Sie denn?“ fragte nun Fiona mit schärferem Ton – langsam bekam sie es mit der Angst zu tun. Sie merkte, wie das Kribbeln der Invisibilität wieder in ihr hochkam.
Die Anwältin holte einmal tief Luft: „Fiona. Ich weiß um deine besondere Fähigkeit. Genau darum geht es! Im übrigen weiß ich, wo dein Mitbewohner Chris ist.“ „Sie wissen …“ Fiona sah die Anwältin ungläubig an. Sie hatte diese Frau noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen.
„Ja genau! Und eben darum möcht ich Dir jemanden vorstellen. Hab bitte keine Angst!“
„Was ist mit Chris?“
„Gleich. Komm erstmal mit!“

Wenn Fiona richtig Angst gehabt hätte, wäre sie wahrscheinlich unsichtbar geworden. Aber „hey … du wirst unsichtbar, wenn du wütend bist, wenns dir kommt – deine Oma kann Gedanken lesen, Chris ist verschwunden und eine fremde Frau weiß davon?! Schlimmer kanns ja nicht mehr werden!“ schoß ihr durch den Kopf. So ließ sie sich denn mehr oder weniger freiwillig von der Anwältin um ein paar Straßenecken ziehen.
„Wohin gehen wir?“ wollte Fiona wissen.
„In ein Café…wir sind gleich da!“ antwortete die „Anwältin“ hastig.
„Und warum rennen wir so?“ frug Fiona.
„Weil zwei äußerst heiß aussehende südländische Männer in sündhaft teuren Maßanzügen uns seit einer Weile verfolgen …..NICHT umdrehen!“ zischte die Anwältin. „Wir haben eine Häuserecke Vorsprung. Aber wir sind da. Hier ist es.“
Sie waren vor einem Szenecafé angekommen, einem dieser „Kaffeehäuser“, die mehr hoch und lang als breit sind. Wo man 147 verschiedene Kaffee und Espresso-Sorten bekommen kann, die aber gleichzeitig so schlecht geheizt und zuzgig sind, das man schon ziemlich verhipstert sein muß, um sich freiwillig die 100 Jahre alten blechernen Absinth-Werbeplakate an den Wänden anzugucken.

Sie traten durch die gläserne Tür ein. [„Kling-Klong-Klang-Klong“]
Erst jetzt bemerkte Fiona, daß hinter der Tür jemand gestanden hatte: Eine Frau – mit kurzen, pink gefärbten Haaren (mit silbernen Strähnen).
Sie trug diesmal eine graue Uniform. Fiona wunderte sich nur, aber da diese Frau sie nur stumm süffisant anlächelte, folgte sie weiter der Anwältin. Die „Türsteherin“ hingegen blickte wieder durch die Tür nach draußen, und drehte das „Open“-Schild auf die Rückseite. „Closed“. Sie würde die Straße weiter im Auge behalten. Das Café war leer. Und nicht beleuchtet. Nur in einer hinteren Sitzecke glimmte schwach eine Tischlampe. Ein Mann saß an dem Tisch in der Nische. Fiona wurde von der Anwältin in die Sitzecke geführt. Sie nahm Platz. Dem Mann gegen über. Erst jetzt bemerkte sie, das neben dem Mann offenbar ein schlafendes großes Kaninchen saß. Die Anwältin setzte sich neben sie.

Fiona musterte den Mann. Etwas verschlafener Blick, mitte 30, markantes kräftiges Kinn, vielleicht etwas asymmetrisch. Dunkelblondes Haar und Geheimratsecken. Aber die Augen! Der Mann hatte grau-blau-grüne Augen. Fast hypnotisch. Müde Augen, aber faszinierend. Sie wußte nicht, ob sie den typ heiß oder bedrohlich finden sollte. Wahrscheinlich beides.

„Sie sind Fiona, die Biologiestudentin …?“ hob der Mann an.
„Äh ja … “ Fiona war irritiert. Sie fühlte sich unwohl – aber nicht wütend. Und da alle Augen auf ihr ruhten, konnte sie sicher sein, das sie noch sichtbar war.
„Wer sind Sie?“ wollte sie wissen.
„Das werde ich Ihnen vielleicht nachher noch sagen. Bitte haben Sie keine Angst, Fiona. Ich tu` Ihnen nichts. Versprochen! Aber ich muß Ihnen erst ein paar Fragen stellen.“
„Okee …“ Fiona war unsicher und verwirrt. Was wollten diese Leute von ihr?

„Meine Leute und ich haben wegen Ihnen, Fräulein, einige Arbeit!“ hob der Mann wieder an. „Aber der Reihe nach. Sie werden sich sicher fragen, wer wir sind, und was wir von Ihnen wollen. Ich mache es kurz: Es geht um drei Punkte: ihre Sexualität, ihre besondere Fähigkeit unsichtbar zu werden – und leider auch um etwas internationale Sicherheitspolitik.“
„Was ist mit Chris, meinem Mitbewohner?“ – Fiona fiel ein, das es noch etwas wichtigeres gab.
„Dem geht es gut. Er ist im Krankenhaus …“
„Im Krankenhaus?“ schrak Fiona auf.
„Unsere Sicherheitsexpertin“ -der Mann deutete auf die Frau an der Eingangstüre- “ und unser Kaninchen hier, haben ihn gestern Abend bewußtlos im botanischen Garten gefunden und ins Krankenhaus verfrachtet. Er ist niedergeschlagen worden.“
„Im botanischen Garten …“ Fiona stockte. Ihr Gesicht wurde rot – hatte Chris sie beobachtet? Doch dann besann sie sich.
„Niedergeschlagen? Von wem? Warum? Geht es ihm gut?“

Der Mann sah Fiona an. „Haben sie bitte, bitte keine Angst!“ er hob beschwichtigend die Hand. „Trotz seiner albernen Erscheinung mit Skinny-Jeans und …wie heißen die Dinger?“
„Chucks!“ ergänzte die Anwältin.
„Ach ja richtig …“ grummelte der Mann weiter „…und seiner unzivilisierten Frisur: geht es ihm gut. Er ist von zwei Agenten niedergeschlagen worden. Wahrscheinlich, weil er beobachtet hat, wie sie im botanischen Garten masturbiert haben und unsichtbar geworden sind.“
„Was für Agenten?“ fraget Fiona fassungslos. „Die gleichen zwei Männer, die uns eben verfolgt haben -“ setzte die Anwältin ein „Die sind wahrscheinlich zwei Dominikaner oder Jesuiten. Päpstlicher Geheimdienst.“
„Aber … was wollen die denn von mir?“
„Die wollen Sie aufgrund ihrer übernatürlichen Eigenschaften gründlich unter die Lupe nehmen. Niemand legt übernatürliche Fähigkeiten an den Tag, ohne das es Rom nicht mitbekommt.“ fuhr der Mann fort. „Ich erkläre Ihnen auch, wie das alles zusammenhängt. Aber vorher werden Sie mir ein paar Fragen beantworten, verstanden?“
Fiona wußte immer noch nicht, wie ihr geschah: „okee … „

„Was halten Sie von Donald Trump?“
„Ähhm … bitte was?“ „Was halten Sie von dem?“
„Ein Arschloch?!“
„Jut … Und was halten Sie von Wladimir Putin?“
„Auch ein Arschloch?!“ Der Mann nickte nur stumm.
„Nur noch zwei Fragen … Was halten Sie von Xi Jinping?“
„Wer?“ fragte Fiona. „Kenn ich nicht.“
Diese Antwort hatte der Mann offenbar erwartet. „Das ist der Ober-Macker von China. Aber ich verrate Ihnen was, Fiona: Das ist auch ein Arschloch. Und was halten Sie vom Papst?“
„Ich äh … ich glaube nicht an Gott.“
„Nobody is perfect …“ seufzte der Mann augenrollend, und konnte seine Enttäuschung nur schwer verbergen. „Das war ja auch nicht die Frage …Na schön …ich verrate Ihnen was: im Vergleich zu den drei anderen ist der heilige Vater nicht ganz so ein großes Arschloch, wie die anderen drei. Aber alle diese Männer hatten ihre Agenten auf Sie angesetzt, Fräulein.“
„Was zur Hölle hat das alles mit mir zu tun?“ fragte Fiona kopfschüttelnd. „Und mit meiner Sexualität? Meiner Begabung? Und woher wissen Sie das? Für wen arbeiten Sie? Das FBI?“

Der Mann und die Anwältin mußten mit den Augen rollen. Diese junge Generation kannte offenbar keine vernünftigen „Bösewichte“ mehr, als das FBI. „Danke Netflix, du Horizontverenger!“ dachte der Mann bei sich. Er seufzte.
„Um ihre Frage zu beantworten: Nein. Meine Leute arbeiten nur für mich. Ich bin Teil eines Komitees, das für eine Weile die Fürsorge für Sie, junges Fräulein, übernommen hat!“
„Fürsorge? Warum das denn?“
„Weil Sie sich unsichtbar machen können?! Wissen Sie, was das bedeutet? Amerikaner, Russen und Chinesen waren hinter Ihnen her. Für die militärische Forschung dieser Länder sind sie von unschätzbarem Wert. Schiffe, Flugzeuge, Panzer – stellen Sie sich mal vor, das ist alles unsichtbar. Nicht nur auf dem Radarschirm, sondern auch für das menschliche Auge. Haben Sie auch nur einen Hauch einer Ahnung, was man mit Ihnen gemacht hätte? Entweder hätte man aus Ihrem Genmaterial versucht, neue Tarnvorrichtungen zu bauen – oder aber …“
„Was?“
„Hätte man versucht, Sie zu töten. Damit sie nicht einem der Konkurrenten in die Hände fallen. Denen könnte ja unter Umständen gelingen, was einem selbst noch nicht gelungen ist. Mit anderen Worten: Sie waren in Lebensgefahr.“
„Wegen meiner Fähigkeit beim Orgasmus unsichtbar zu werden, war ich in Lebensgefahr?“ fragte Fiona. Sie sah den Mann an. Er sah sie an. Sie hatte einen ungläubigen Blick, aber seine Miene war ernst.
„Ja. Die Amerikaner hatten eine Biologie-Studentin, Meredith Zimmerman, auf sie angesetzt, die Russen haben ihren zweitbesten Mann hergeschickt – und die Chinesen waren auch an Ihnen interessiert. Aber die Probleme haben wir…Ich sag mal so… den ausländischen Geheimdienstlern, die auf sie angesetztwaren…ist letzte Nacht etwas „zugestoßen“. Kurz, nachdem Sie sich mal wieder unsichtbar masturbiert haben und Chris Sie dabei beobachtet hat. Lediglich die zwei Schnüffler vomVatikan laufen noch irgendwo rum, aber um die kümmern wir uns auch noch.“ Er machte eine kurze Pause.

„Und damit das alles nicht nochmal passiert, werden wir Ihnen helfen, mit Ihrer Unsichtbarkeit klarzukommen – und: wir werden ihrem Sexualleben etwas auf die Sprünge helfen!“
„Woher wissen Sie das eigentlich?“ fragte Fiona beinahe tonlos.
Der Mann ging nicht darauf ein, sondern zündete sich eine Zigarette an.
„Können Sie die bitte ausmachen?“
„Nein.“ brummte der Mann, sog an seiner Zigarette, und fuhr fort:

„Sagt Ihnen der Name Philomena Weissesbesser etwas?“
„Nein…?“
„Das war Ihre Ur-ur-ur-ur-Urgroßmutter. Sie war 1815 bei der Schlacht von Waterloo Marketenderin und Regimentshure bei den „Braunschweiger Jägern“, die mit Wellington Napoleon besiegt haben. Sie gab einfachen jungen Soldaten den letzten Blowjob vor der Schlacht – für viele wars auch der letzte ihres Lebens. Aber auf den Abendgesellschaften und ausschweifenden Orgien der höheren Offiziere trat sie als Wahrsagerin auf: Sie konnte in die Zukunft sehen, allerdings nur dann, wenn sie squirtete. Sie feierte mit den hohen Herren, masturbierte vor aller Augen, und konnte dann wichtige Ereignisse voraussagen. Auch wenn Wellington davon profitierte, sah er sich doch gezwungen, aus Gründen der Räson ihre Urahnin wegen „Unzucht“ nach den damaligen Gepflogenheiten mit der 9-schwänzigen Katze auspeitschen zu lassen. Allerdings bekam sie davon einen derartigen Orgasmus, daß sich ein Orkan-artiges Unwetter und Donnersturm erhob, der den Briten, Preußen und Braunschweigern beinahe den Sieg über die Franzosen gekostet hätte …!“
„Aber…woher…wieso…wissen Sie das alles?“ Fiona war erstaunt.
Der Mann holte einmal tief Luft. „Weil ich Histo….“
„Wir haben das recherchiert!“ fiel die Anwältin ihm ins Wort.
Der Mann schien seiner Anwältin das einfach so durchgehen zu lassen, denn er fuhr fort:
„…und sagt Ihnen der Name Greta Hunkemöller etwas?“
„Nein …“ antwortete Fiona irritiert.
„Das war ihre Urgroßmutter. Die Mutter ihrer äußerst empathischen Oma. Sie war in den dreißiger Jahren, wie viele Millionen anderer junger Frauen auch, im BDM. Quasi die Hitlerjugend für Mädchen. Das ist nicht weiter tragisch, meine Großutter war auch Mitglied – aber im Gegensatz zu meiner Oma hatte ihre Urgroßmutter eine lesbische Liäson mit ihrer Scharführerin, dh. ihrer direkten Vorgesetzten. Das war ideologisch nicht im Sinne der Nazis, kam aber öfters vor.“
„Moment…meine Uroma war ein Nazi?“ fragte Fiona entsetzt.
Der Mann seufzte. „Nein. Sie war, wie meine Großmutter, ein Kind ihrer Zeit. Während eines Sommer-Zeltlagers im Jahre 1939 hatte ihre Uroma heimlich Sex mit ihrer Scharführerin. Auf was ich hinaus will: Ihre Uroma wurde genau wie Sie unsichtbar, und konnte für eine gewisse Zeitlang gegen alle Regeln der Physik in der Luft schweben – und vor allem: sie konnte Gegenstände bewegen. Durch bloße Gedankenkraft – während ihren Erregungszuständen. Telekinese nennt man das.
Natürlich bekamen die Nazis Wind von der Sache, wollten sich die Kräfte ihrer Urgroßmutter zu Kriegszwecken bemächtigen. Als sie sich jedoch weigerte, steckte man sie mit ihrer Geliebten ins Frauen-KZ Ravensbrück. Dort machten die Nazis Experimente – und heraus kam allerdings nur das hier“
Der Mann stellte ein braunes Apotheker-Fläschen mit Korkverschlußauf den Tisch. Es enthielt 147 weiße Pillen. Auf dem vergilbten Etikett stand „Refortat“.
„Was ist das?“ fragte Fiona.
„Das ist ein Präventivmittel gegen Unsichtbarkeit. Wenn Sie jedesmal, wenn Sie Sex haben, unsichtbar werden, könnte das ihre Sexualparter/innen auf Dauer etwas verunsichern.“ bemerkte der Mann mit einem süffisanten Unterton. „Deshalb nehmen Sie vor jedem Geschlechtsakt eine dieser Pillen, und Sie bleiben sichtbar. Die einzige Nebenwirkung ist, daß das Präparat alkoholbedingte Trunkenheit innerhalb von fünf Minuten eliminiert. Dh. man ist wieder glockennüchtern.“
„Und woher haben Sie das Zeug?“
„Nun… bei diesen Experimenten war jemand unfreiwillig anwesend, der unsichtbare Menschen auch sehen kann, wenn sie für andere Menschen unsichtbar sind.“ mit diesen Worten deutete der Mann auf das Kaninchen, das die ganze Zeit still und leise mit einem Strohhalm Fanta aus einer Flasche genuckelt hatte. Das Langohr, gewahr, das von ihm die Rede war, öffnete die Augen und setze ein naives „So ist es, mümpf!“ hinterher. „Da, wo Menschen unsichtbar werden können, können Kaninchen auch sprechen, und umgekehrt, mümpfennämlich! Ich habe damals ihrer Urgroßmutter und ihrer Freundin zur Flucht aus dem Lager geholfen. Die Nazis waren sehr, sehr böse Menschen, nämlich!“

Die Anwältin fuhr nun fort:
„Sie sind das bislang letzte Glied einer langen matrilinearen Reihe von übernatürlich begabten Menschen. Diese Fähigkeiten werden seit Generationen von Mutter zu Tochter weitergegeben. Und soweit es Unsichtbarkeit betrifft – kann nur unser Langohr hier diese Frauen sehen. Aber das wird dank der Pillen nicht mehr nötig sein.“
„Warum haben sie meiner Mutter nicht diese Pillen gegeben? Oder meiner Großmutter?“
„Weil die Unsichtbarkeit nicht in jeder Generation auftritt. Die besonderen Fähigkeiten variieren von Generation zu Generation.“

„Ich weiß… bzw. ich habe so etwas geahnt….meine Mutter ist eine Schamanin..und meine Großmutter auch..sie können“ hob Fiona an.
„Orrrr hören Sie bloß mit diesem Schamanengefasel auf!“ Fuhr ihr der Mann über den Mund. „Neueheidnischer Mumpitz …nur weil sich im 18-19. Jahrhundert ein paar sexuell verklemmte und versnobbte puderperrückte sklavenhaltende Flachwichser auf pseudo-kelto-druidische Steine einen runtergeholt haben, haben wir heute immer noch immernoch Antisemitismus, Mittelaltermärkte und schwarze Raben geil-findende Triskeloschwachmaten.“
Fiona war war wie vor den Kopf geschlagen. Dies schien der Mann auch zu bemerken, daher ruderte er mit seinen Mitteln zurück: „Das ist jetzt vielleicht salopp ausgedrückt, aber glauben Sie mir. Ich bin Historiker! …das ist alles hineininterpretierte Erfindung. Wissenschaftlich nicht zu halten. Wirkliche Schamanen gibt es nur bei den Tungusen und Ewenken in Sibirien.“
„Aber meine Mutter kann wirklich mit …“
„Ja … mit Toten sprechen. Und Gedanken lesen. Ich weiß, ich weiß. Das konnte Hildegard von Bingen auch …!“ (das war war zwar gelogen, verfehlte aber nicht eine gewisse Wirkung)

„Der eigentliche Punkt ist, mein liebes Fräulein, es hat immer etwas mit Sexualität zu tun. Bei allen Frauen in ihrer Familie.“ Der Mann versuchte die Atmosphäre etwas zu lockern, und lehnte sich entspannt zurück.
„Sie haben einen twitteraccount?“
„äh..ja.“ antwortete Fiona vorsichtig. Der Mann hob abwehrend die Hand. „Nein, ich meine nicht „@seelensternchen123“ …ich meine den anderen Account.“
Er machte eine abwartende Pause. Fionas Pupillen weiteten sich ganz leicht, fast unmerklich vor Entsetzen.
„Ich meine den Account „@Biology_of_Sin_666″. …etwas kitschiger Name.. aber Sie haben sich Mühe gegeben, immerhin.“
„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen!“
„Doch, das glaube ich schon.“ fuhr der Mann in seinem leichten rheinischen Singsang fort.
„Sie folgen @provokrokant und @TamyStinson, @Needie_, @MadameX, @Crimson_Silk …und natürlich Ophelia_BDSM. Sie lesen brav mit, faven hin und wieder, und halten sich ansonsten zurück.“
„Woher wollen Sie wissen, das ich das bin?“ fragte Fiona trotzig.
„Ihre Augen haben es mir gerade verraten.“ antwortete der Mann mit einem schmunzelnden Lächeln voll von anachronistischer cis-weiß-männer-Sicherheit.
Wieder machte er eine Pause. Fiona war perplex.
„Sehen Sie … solchen Leuten folgt man nicht, weil man unbedingt erpicht darauf ist, sich ellenlange threads zu haarspalterischen dogmatischen Auslegungen von Übergriffigkeit und Feminismus durchzulesen.“ Er sah sie ganz fest an. Starrte ihr in die Augen. Und sie sah in seine Augen. Er spürte ihre Unsicherkeit. Deswegen fuhr er fort:
„Man folgt solchen Leuten, weil man Vorlieben hat. Ein Verlangen hat. Ein Verlangen nach einer Hand ….am Hals. Einer Hand … die an den Haaren zieht …die Ohrfeigen gibt …die Schmerzen und Geborgenheit gleichermaßen gibt …“
„Hören Sie auf!“ zischte Fiona. Sie bemerkte, wie das Gefühl des Unbehagens der Wut wich. „Es“ begann wieder in ihr hochzukribbeln.
„Geben Sie sich keine Mühe. Für uns können Sie vielleicht unsichtbar werden, aber für ihn hier nicht.“ Er deutete wieder auf das Kaninchen.

Fiona schnaubte. Sie fühlte sich „enttarnt“ . Und hoffte, ihre besondere Tarnfähigkeit würde jetzt etwas nützen. aber das Kaninchen legte seine lange Pfote auf ihre linke Hand – sie spürte, wie sie sichtbar blieb.
„Mögen Sie Männer in Uniform?“ fragte der Mann, obwohl er die Antwort bereits kannte.
„Das geht Sie gar nichts an!“ fauchte Fiona.
„Danke für ihre aufschlußreiche Antwort, Fräulein!“ schmunzelte der Mann.
„Bevor Sie ihre summa-cum-laude-Muschi zur nächsten Studentenparty schleifen: Was erhoffen Sie sich da zu angeln? Einen Skinny-Jeans-Studenten? Der dann zu einem trostlosen alt-Hippie an der Seite seiner Schamanen-Frau verkommt, genau wie ihr Vater?“
Fiona war baff. In der Tat – wenn sie es recht bedachte, hatte ihr Vater immer im Schatten ihrer dominanten spirituellen Mutter gestanden. Dann schoß ihr ein anderer Gedanke durch den Kopf:
Dieser Mann, mit seinen faszinierenden Augen, sagte immer „Fräulein“: „Fräulein! KEIN MANN nennt eine junge Frau jemals „Fräulein!“ das ist herabwürdigend, übergriffig, frauenfeindlich und ….scheiße … macht mich das heiß! Wenn der gleich „mein Kind zu mir sagt!“ …dann explodier ich entweder bis in alle Ewigkeit in die Unsichtbarkeit, oder ich muß mir gleich nen neuen trockenen Schlüpper anziehen!“ fluchte Fiona in sich hinein. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum.

Ihre Unsicherheit wandelte sich urplötzlich in Angriffslust:
„Na schön. Ich interessiere mich für bdsm, und verfolge die #ntl auf twitter. Und ich finde Männer in Uniform attraktiv….und ich habe schon darüber nachgedacht, ob ich mich bei dieser Ophelia_BDSM™ für eine O-Runde anmelde…. aber ich habe mich noch nicht getraut, weil ich noch keinerlei Erfahrung habe.“

„Also, wenn Sie das machen sollten, Fräulein, dann bestellen Sie der Frau Kollegin bitte nen schönen Gruß von mir…“
„Sie kennen Sie?“ fragte Fiona mit leichtem Glanz in den Augen.
„Ja…es gibt sie wirklich. Sie ist ein echter Mensch. Aber Sie werden sich ihrer Sexualität ersteinmal anders bewußt werden, ohne [OpheliasVorname]s Grundausbildung. Denn noch stehen Sie hier unter meiner Kuratel, bevor jemand anderes aus dem Komitee die Fürsorge für Sie übernimmt.“
„Was soll das heißen? Wollen Sie etwa mein Dom sein?“ fragte Fiona mit einem Unterton der Belustigung und des Erschreckens.
„Och …gnädiges Fräulein … ich ficke für mein Leben gern. Sogar so, das es weh tut …“ der Mann kratzte sich süffisant grinsend am Hinterkopf, und sah Fiona wieder fest in die Augen. Und Fiona malte sich gerade aus, wie sich das anfühlen würde, auf analem Wege das Hirn rausgevögelt zu bekommen.
„Aber ich kann nicht jede submissive, devote und masochistisch veranlagte Frau auf der Welt vögeln. So sehr ich es auch wollte. Und in Ihrem Falle, Fiona, werde ich wohl einstweilen auf das Vergnügen verzichten müssen. Ihr Schicksal liegt nicht allein in meinen Händen. Sondern in denen eines Komitees – da bin ich nur ein gleichberechtigtes Mitglied. Und ich möchte die anderen Mitglieder nicht brüskieren. An diesem Punkt endet mein Zuständigkeitsbereich. Sie haben eine einzigartige orgiastische Begabung, Fräulein. In Ihnen wohnt eine besondere Energie. Dieselbe Energie, die sie hin und wieder unsichtbar werden läßt. Da ist etwas in Ihnen – und ich bedauere zu tiefst, das ich es nicht bin, der diese Energie freilegen wird. Sie sind geboren, um zu dienen. Das sehe ich in Ihren Augen. Sie brauchen diese besondere „Führung“.“

„Was soll das heißen?“ fragte Fiona.
Die Anwältin hatte ein tablet hervorgezaubert, und antwortete anstelle des Mannes:
„Wir haben ein Joyclub Profil für dich angelegt. Und auch schon ein paar passende Männer für dich gefunden-“ die Anwältin machte eine abwartende Pause. „Wir denken, daß das das beste für dich ist.“
„Sie haben bitte WAS?“
„Wir haben genug Bilder von deinem Handy, wir kennen deine Interessen und deine Neigungen…. hier ist dein Paßwort.“
Die Anwältin schob Fiona einen Zettel mit Nickname und Paßwort zum ihrem JoyClub-Profil rüber.

„Kiel ist seit über 150 Jahren Marinestützpunkt …. schnappen Sie sich nen jungen Oberleutnant zur See … achnee …das sind alles junge Familienväter … lieber einen geschiedenen Kapitänleutnant zur See …jemand mit Dominanz und Uniform …. und bei Gott … lassen Sie sich ordentlich durchficken, Mädchen!“ brummte der Mann wieder als Antwort.
„Ich bin etwas verwirrt…!“ Fiona schüttelte den Kopf.
Er hatte „Mädchen“ gesagt! Fiona zwang sich, nicht ausfällig zu werden, und gleichzeitig ignorierte sie ihren dezent angefeuchteten Schritt.

„Ich fasse gerne nochmal zusammen, Fräulein: Erstens: Sie waren in Gefahr, weil Sie bei Erregung unsichtbar werden. Diese Gefahr haben wir eliminiert. Zweitens: Sie haben jetzt ein Gegenmittel, das verhindert, das Sie unsichtbar werden. Drittens: Sie wissen nun, daß Sie in ihrer Familienlinie nicht alleine mit dieser Problematik da stehen. Und viertens: Sie müssen Ihre Sexualität erforschen und bewußt leben! Sie müssen ihre Bestimmung finden, Fräulein! …Ich hab schon Frauen gefickt, die waren noch viel unsicherer als du, Mädchen. Und die konnten nichtmal unsichtbar werden! Gehen Sie jetzt, Fiona. Sie haben morgen Abend ein blind-Date. Wir halten Ihnen den Rücken frei, Chris geht es gut, und in ihrer Mitbewohnerin Marleen haben Sie eine Freundin, die Ihnen zuhören wird. Entdecken Sie sich selbst!“

Alle erhoben sich, bis auf das Kaninchen, das wieder zu schlafen schien.

In Fionas Kopf drehte sich alles. Derartigen Input war sie nicht gewohnt. Beim hinausgehen fragte sie den Mann und die Anwältin: „Die da hinten, an der Tür mit den pinken Haaren ….warum sieht ihre Uniform aus wie eine aus Iron Sky?“

„Hey … Grau ist eine schöne Farbe!“ brummte die gemeinte schmunzelnd und warf Fiona einen vielsagenden Blick zu. Fiona verließ das Kaffeehaus. Verwirrt. Mit Mitteln gegen ihre Unsichtbarkeit. Mit einem Joyclubaccount und einem Blindate am nächsten Tag.

„Und nun?“ fragte die Anwältin, als Fiona zur Türe raus war.
„Naja… Ihr kümmert euch noch um die zwei Designer-Agenten aus Rom – und ich sag beim nächsten Komitee-Mitglied bescheid, das wir den Staffelstab Fiona übergeben haben.“ antwortete der Mann.
Vaya con Dios, Fiona…vaya con Dios…“ murmelte er noch, als er @Crimson_Silk eine WhatsApp-Nachricht schrieb.

Teil 5: Crimson_Silk

Teil 6: JoyFull117

Teil 7: PeachBlack

Teil 8: Needie