Leseprobe: Mädchengeburtstag

Lauras 15. Geburtstag fiel auf den 26. April, einen Samstag.

Schon eine Woche vorher, als sie mit Marie-Sophie und Daggi in der großen Pause in “ihrer” Ecke des Schulhofs abhingen, hatte Marie-Sophie gefragt: “Und, machst du Party?”

Die Frage war Laura unangenehm. Nicht, weil sie sich nicht auf ihren Geburtstag gefreut hätte, sondern weil sie, abgesehen von Marie-Sophie und natürlich Daggi, nicht wusste, wen sie einladen sollte. Und die halbe Klasse einzuladen war nicht ihr Ding. Vor allem, weil Jens dann wieder den super Kumpelvater raushängen lassen würde. 

“hm neee….” sie kratzte sich am Hinterkopf. Eigentlich wollte sie an dem Tag nur ihre Mutter, ihren kleinen Bruder und ihre beiden Freundinnen um sich haben. 

“Oder wir können ins Kino.” schlug Daggi vor. “Meine Eltern können uns fahren, wenn am Abend kein Zug mehr fährt.”

“Aber dann gucken wir uns nur ‘nen Film an, und müssen dann wieder zum Zug. Da hab ich auch irgendwie keinen Bock drauf…also Kino gerne…aber nicht an meinem Geburtstag. Ich sag euch morgen bescheid”

Sie wusste nicht wirklich, was sie eigentlich wollte. “Ich muss erstmal meine Mutter fragen, was die so geplant hat. Und mein bescheuerter Stiefvater.”

“Also wenns wegen der Rückfahrt nach dem Kino ist, dann müssen wir vielleicht hier in Müssen bei Marie-Sophie übernachten.” flaxte Daggi augenzwinkernd.

“Äääähm…das wär zwar cool , aber das geht aus Gründen nicht!” seufzte Marie-Sophie genervt. 

“Ich weiß, war ja nur ein Scherz.“ stellte Daggi klar.

Laura verstand zwar nicht, was bei Marie-Sophie das Problem war, aber sie hatte eine Idee:

“Aber ihr könnt vielleicht bei mir übernachten.”

Marie-Sophie war begeistert: “Au ja! Wir können reinfeiern. Wir machen uns einfach ‘nen netten Mädelsabend zum Vorfeiern, gucken nen Film oder so, schlafen bei dir und dann haben wir den ganzen Samstag um was zu unternehmen…dann müsste ich nur ‘n Kissen mitnehmen.”

“Ich hab zwei” lachte Laura.

“Zur Not hol ich ‘was Bettzeug von mir ‘rüber, sind ja nur 20 Meter“, meinte Daggi.

Lauras Mutter hatte nichts gegen den Plan. Im Gegenteil: Sie hatte schon eine wilde Party mit unzähligen Teenagern befürchtet. Dieser Vorschlag war die wesentlich entspanntere Variante.

“Haben die Eltern von dem anderen Mädchen”
“Marie-Sophie, Daggis beste Freundin und sie ist auch meine Freundin!“

„Haben die denn da auch nichts gegen, dass sie bei dir übernachtet?”

“Nee, das geht in Ordnung!”

Natürlich hatte Marie-Sophies Mutter nichts dagegen – denn sie war erst gar nicht gefragt worden.

Und auch Daggis Mutter, Frau Heinemann, war sehr erfreut über den Plan, denn wenn die eigene Tochter auf dem 15. Geburtstag einer Freundin übernachtet, machen sich alle Eltern Sorgen. Wenn aber die Übernachtung nur ein Haus weiter stattfindet und die Eltern der Freundin zuhause sind, dann sind Gefahren wie “Jungs, Alkohol und Zigaretten oder Drogen” eigentlich ausgeschlossen.

Eigentlich. Mama denkt, Tochter lenkt.

Marie-Sophie hatte eigentlich immer ne Schachtel mit langen dünnen Menthol-Light Zigaretten in der Handtasche, die sie von ihrer Mutter “geliehen” hatte.

Und auch wenn sowohl Laura als auch Daggi bei der Ankündigung der Übernachtungsparty ihren jeweiligen Müttern ein genervtes “orrrr Mama, ich rauch nicht!” entgegen gebrummt hatten, war es doch irgendwie “cool”, mit einem Mädchen befreundet zu sein, das Kippen von ihrer Mutter geklaut hatte. 

Und als am Freitag, dem 25., Marie-Sophie in Wiezethal am frühen Abend vom Bahnhof Richtung Sonnenbergstraße marschierte, hatte sie neben einem Geschenk für Laura auch eine große Flasche Himbeer-Sekt im Gepäck – die sie natürlich auch von ihrer Mutter “nur geliehen” hatte.

Als sie bei Bauers klingelte, war Daggi auch gerade erst von nebenan rübergekommen. Den ganzen Nachmittag hatten die drei Mädchen trotz des schönen und vor allem warmen Wetters mit Hausaufgaben zugebracht. Aber lieber Mathe, Englisch und Latein jetzt erledigt haben, und dafür dann das Wochenende ungestört sein.

Lauras Mutter war gespannt, wer diese “Marie-Sophie” denn sein würde, von der ihre Tochter dauernd sprach; dh. wenn sie nicht gerade über Daggi sprach.

Groß, blond, freundlich – aber mit einer Flasche Sekt. Und die “Versicherung”, dass ihre Mutter sowohl die Übernachtung als auch den Alkohol genehmigt hatte, klang trotz ganz lieben Augen bling-bling etwas unglaubwürdig. Vielleicht war es die Wimperntusche. Aber sie wollte ihrer Tochter Laura den Abend nicht verderben. Da allerdings auch Daggi eine kleine Sektflasche “nur zum anstoßen um Mitternacht” (und von Mutter Heinemann genehmigt) mitgebracht hatte, sah sich Lauras Mutter zu dem Hinweis genötigt: “Trinkt aber nicht zu viel!”

“Orr Mama! Wir passen schon auf!” war die prompte Antwort.

Angesichts der Flasche Himbeersekt schüttelte Lauras Mutter nur augenrollend den Kopf, für sie galt Himbeersekt als Getränk nur für pubertierende Mädchen oder als “Nuttengesöff”.

“Deine Geschenke bekommst du auch erst um Mitternacht – oder morgen früh, aber wir haben dir was mitgebracht!” freute sich Marie-Sophie

“Das wär aber nicht nötig gewesen….Ich freu mich einfach, dass ihr beide mal zusammen bei mir seid!” antwortete Laura bescheiden.

“Und es wird nicht gratuliert vor Mitternacht, weil das bringt ja Unglück!” ergänzte Daggi.

Beim Abendessen in der Küche war dann auch Jens, Lauras Stiefvater, anwesend. Das war das ätzende Übel, das sie hinnehmen musste. 

Aber da ihre Mutter versuchte, sich möglichst neutral mit den beiden anderen Mädchen über “Schule” zu unterhalten, und Jens ihrem kleinen Bruder Johannes erklärte, dass die beiden Mädchen heute über Nacht bleiben würden, hatte sie genug Zeit, um wenigstens eine Brotscheibe ungestört zu essen. Besonders Marie-Sophie schien im Interesse von Lauras Mutter zu stehen, Daggi war ja schon öfters zu Besuch gewesen.

Aber nach Smalltalk, über welche Lehrer gut oder doof sind und überhaupt Fräulein Rickmers ist die coolste, reichte es Laura dann auch. Ungefähr um 20 Uhr meinte sie dann: “Ich glaub wir gehen jetzt mal hoch auf mein Zimmer und gucken unseren Film.”

Die drei verschwanden im ersten Stock in Lauras Zimmer.

Als sie die Zimmertür hinter sich schloss, seufzte sie genervt: „Boah, ey,  endlich sind wir allein!”

“Was denn? Deine  Familie ist doch ganz nett?” wunderte sich Marie-Sophie.

“Ja aber mein Stiefvater…ich bin schon genervt, wenn der im gleichen Raum ist!”

Marie-Sophie wollte noch weiter nachhaken, aber Daggi machte ihr eine Handbewegung, dass das vielleicht keine so gute Idee war, zumindest nicht für den Moment.

Marie-Sophie fand als anderes Thema sofort eines der wenigen Poster an den Wänden.

“Ahhh cool. Estellé. Gefällt mir.” bemerkte sie grinsend und deutete auf das Bild der großen blonden schlanken Sängerin, die mit einem ziemlich knappen Glitzerkleid und hohen Absätzen in einem dunklen Sternenhimmel zu tanzen schien.

„Boah du hast sie mit dem Estellé-Virus angesteckt.” Daggi verdrehte die Augen, während sie das Geschenk und den dazugehörigen Briefumschlag vorsichtig beiseite legte.

Laura war verlegen: ”Joar… Ich wusste halt nicht, was ich sonst aufhängen soll. Aber die weiße Wand hat mich so angekotzt.”

Da sie nicht viele neue Filme hatte, lief auf ihrem kleinen Fernseher “Fluch der Karibik” im TV. Die drei Mädchen hatten es sich auf Lauras Bett mit dem Rücken an der Wand mit Kissen und Decken bequem gemacht. Und während der Film so lief, vernichteten sie anderthalb Tüten Chips und eine halbe Maxiflasche CocaCola. Aber schon in der zweiten Werbepause stand Marie-Sophie auf, und fragte: “Darf ich mich mal bei dir aus dem Fenster hängen?”
Laura verstand im ersten Moment nicht, was sie meinte.

“Sie will eine paffen.” klärte sie Daggi auf.

“hm…ja…wenn das nicht hier rein zieht.” gab Laura das zögerliche Ok. „Ich will keinen Krach mit meiner Mutter bekommen.”

“Ich pass’ schon auf!” 

Und während die Werbung lief, beobachtete Laura, wie Marie-Sophie sich möglichst weit aus dem Fenster lehnte und dabei ihre Zigarette rauchte. Die rot-blonden leicht gelockten Haare, ihre fast schneeweiße Haut, ihr Mund und die Zigarette – im Hintergrund zogen die Rauchschwaden in Zeitlupe nach draußen in den Frühlingsabend. Und dann Marie-Sophies hammer-Figur und ihre langen Beine: Rauchen war zwar ungesund, aber Laura schaute nur fasziniert hin und dachte: Das ist irgendwie “sexy”. Sie fand das irgendwie erwachsen und selbstbewusst. 

Sophie drehte sich Luft zufächelnd um ins Zimmer: „Boah, ist das noch schwül-drückend warm!“

„Ja“, klagte Laura. “Gerade hier unter der Dachschräge. Ich hab nachts auch immer das Fenster auf.” Es war ihr peinlich, dass es in ihrem Zimmer und draußen warm war, obwohl sie ja nichts dafür konnte. Sie wollte, dass Daggi und Marie-Sophie sich wohlfühlten.

“Sollen wir den Sekt schon aufmachen?” fragte Daggi aus heiterem Himmel.

Marie-Sophie schaute Laura an: 

“Es ist doch noch nicht Mitternacht?”

Laura wusste nicht, was sie sagen sollte.

Daggi antwortete stattdessen: “Nee, aber nachher sind wir vielleicht zu müde um zu trinken und pennen ohne Alkohol ein, wenn wir’s nicht bis Mitternacht schaffen. Ich will mit euch trinken.”

In Lauras Kopf herrschte totales Chaos: 

“trinken” – das klang auf einmal nach: was machen, das nicht erlaubt ist. Das was Erwachsene machen, das was vielleicht berauschend ist. Sie hatte ihrer Mutter zwar versprochen, “keine Zigaretten und keinen Alkohol” – aber Marie-Sophie sah sexy aus, und Daggi wollte “trinken”. Also entschied sie, nach außen hin cooler, als sie sich innerlich fühlte:

„Hm…ja ok, komm, mach auf!”

Gerade als Marie-Sophie zur großen Sektflasche greifen wollte, klopfte es an der Zimmertür. Noch bevor Laura “ja?” fragen konnte, schaute das Gesicht ihres Stiefvaters Jens herein.

“Was willst du?” fragte sie genervt.

“Ich wollte fragen, ob ich euch noch ne Matratze aufbringen soll?”

Noch mehr genervt sprang Laura auf, und ging zur Tür: 

„Boah, nein! Wir sind versorgt, danke!”  – und knallte die Tür zu, und drehte den Schlüssel um.

Marie-Sophie sah wieder fragend zu Daggi, die nur stumm mit den Schultern zuckte und den Augen rollte.

Laura seufzte tief.

“Mach den Alk auf!”sagte sie dann. Seit wann sagte sie “Alk”? Sie wunderte sich über sich selbst.

Etwas genervt, und immer in der peinlichen Befürchtung, ihren Freundinnen keine gute Gastgeberin zu sein, seufzte sie wieder: “Dann müssen wir uns halt zu dritt in meinem Bett kuscheln, wenn das für euch kein Problem ist.”

“Also für mich nicht.” meinte Daggi.

“Wird halt was kuschelig, aber das wird schon!” lachte Marie-Sophie, als sie mit gekonntem Griff die Sektflasche nahezu geräuschlos öffnete.

“Hast du da Übung drin?” fragte Daggi verwundert.

„Äh… nee…das mach’ ich zum allerersten Mal!” antwortete Marie-Sophie mit derart theatralisch gespieltem Ernst, dass Daggi und Laura unweigerlich kichern mussten.  

Sie füllten sich die Plastikbecher. Cola war was für Kindergeburtstage, Sekt war etwas für “richtige” Mädchen. Zumindest kam es Laura nun so vor.

“Aber wir spielen kein Flaschendrehen!” Si  e wusste nicht mal, wie man Flaschendrehen spielte, oder woher sie das Wort überhaupt kannte. Es musste ihr zugeflogen sein. Irgendwas passierte an diesem Abend mit ihr – oder in ihrem Hirn. 

“Wenn ihr was wissen wollt, dann fragt einfach!”

Der “Fluch der Karibik” lief nur noch im Hintergrund – sie fingen an zu quasseln. Als erstes, und überhaupt wichtigste Erkenntnis, wurde festgehalten, dass Theresa und Lea zwei absolute hohle Lästerschwestern waren, die nur Scheiße laberten, sobald sie den Mund aufmachten. Nachdem das geklärt war, einigten sie sich in meist einträchtiger Diskussion darüber, welcher Junge in ihrer Klasse und den beiden Parallelklassen denn der süßeste sei – sofern man das über Jungs überhaupt sagen konnte. Marie-Sophie behielt sich ein Veto-Recht vor, was Niklas betraf, denn sie hatte seine Nummer. Daggi und Laura waren einverstanden, obwohl das zwar keine “Beziehung” war, aber immerhin ein Anfang.

“Apropos Beziehung“, hob Marie-Sophie an, als der Film gerade endete, und sie allen aus der Himbeer-Sektflasche nach schenkte, “Gibt es jemanden, den du süß findest? Oder für schwärmst?”

Laura lief rot an. Diese Frage hatte sie befürchtet. Und der Sekt, dh. der Alkohol, den sie heute Abend zum ersten Mal trank, machte es nicht leichter. Der machte alles so locker und leicht. Und sie wollte nicht zu viel verraten, weil sie absolut keinen Plan hatte, was sie eigentlich fühlte.

“Viiieeelleicht…vielleicht…vielleicht…gibt es jemanden“, murmelte sie verlegen.

“Wer wer wer?” Daggi und Marie-Sophie waren mit großen Augen gespannt wie ein Flitzebogen. 

“Ist er in unserer Klasse?“

Laura schlug seufzend die Hände vor ihr Gesicht.

“Ey…ich bin mir noch nicht mal sicher, ob das überhaupt Gefühle sind.” 

Es störte sie etwas, dass Marie-Sophie “Er” gesagt hatte. Sie hatte extra “jemanden” gesagt. Scheiß Alkohol. Scheiß Gefühle. Sie wusste ja in diesem Moment nicht mal, wo oben und unten war. 

“Wenn ich mehr weiß, was ich überhaupt fühle, dann sag’ ich es euch. Versprochen. Aber ich bin mir selbst noch zu unsicher!” Sie sah ihre beiden Freundinnen an.

“Ich bin jetzt erst ein Dreivierteljahr hier bei euch – und ihr seid meine Freundinnen. Meine einzigen. Ohne euch wär’ ich total lost. Danke, dass ich eure Freundin sein darf!”

Daggi nahm sie in den Arm: “Du bist ne süße Maus! Du hast uns irgendwie gefehlt, noch bevor du bei uns warst.”

In Lauras Kopf drehte sich gerade viel zu viel, als dass sie die Aussage einordnen konnte. 

Marie-Sophie, die wieder am Fenster stand, und eine ihrer Menthol-Zigaretten rauchte, schaute die beiden an:

“Ich hab’ so ne Vermutung…”

Laura bekam Angst.

“Was für ‘ne Vermutung?”

Marie-Sophie sog irgendwie besonders langsam, und daher besonders sexy, an ihrer Zigarette. Wie in Zeitlupe blies sie den Rauch zum Fenster raus. Laura war es gerade scheißegal, ob ihre Mutter das morgen noch riechen können würde, und sie dafür Ärger bekäme.

“Was für ‘ne Vermutung?” wiederholte sie.

“Das steht alles in dem Brief, den ich Daggi am Anfang des Schuljahres gegeben habe.” Marie-Sophie lächelte geheimnisvoll.

“Boah Marie-Sophie!“ Daggi war aufgesprungen und an sie herangetreten, “ich lauf gleich rüber zu mir, und mach den Brief auf!”

“Ey!… Du bist meine beste Freundin, und du hast mir versprochen, den Brief erst aufzumachen, wenn ich das sage!” antwortete Sophie-Marie mit erhobenem Zeigefinger, aber irgendwie auch lächelnd.

Daggi schaute sie skeptisch an. “Gib mir auch eine!” sagte sie nach einem Moment des ergebnislosen Nachdenkens und deutete auf Marie-Sophies Zigaretten. 

Jetzt trat auch Laura an die beiden am Fenster. “Für mich auch eine, wenn ich darf?” Sie war froh, dass diese “Vermutung” jetzt erstmal unerwähnt blieb. Wo kam denn verdammte Hacke auf einmal ihr Verlangen nach einer Zigarette her? Laura fühlte sich wie in Trance.

Stumm lächelnd reichte Marie-Sophie den beiden die Schachtel.

Laura las “a Lady’s Fate – Menthol” in goldener Schnörkelschrift auf weißem Grund. Auch wenn die Zigarette kratzte, scharf nach Hustenbonbon schmeckte und das alles verboten und ungesund war – sie fühlte sich frei und unabhängig und gleichzeitig geborgen bei ihren Freundinnen. Keine Ahnung was “Sex” war, oder wie sich “erwachsen sein” anfühlte – aber das hier – mit den beiden am Fenster zu stehen, und Mentholzigaretten zu paffen, das fühlte sich geiler an, als alles, was sie bisher jemals erlebt hatte.

Irgendwann sah Daggi auf die Uhr.

“Mädels…es ist 22.37Uhr. halten wir noch durch bis Mitternacht?”

Laura war schwindelig und schlecht. Deshalb sagte sie erstmal nichts.

Marie-Sophie war zu stolz, um “nein” zu sagen: „Also ich schon!”- Aber am liebsten wäre sie einfach zu Boden gefallen und eingeschlafen. 

“Ich kann nicht mehr!” gestand Laura endlich. Sie hielt es für besser, sich hinzulegen. In diesem Moment war ihr alles egal.

“Jup. Ich auch nicht. ich glauuuube…ich hatte etwas zu viel Sekt…” sprach Daggi, als sie in Richtung Lauras Bett wankte. 

Sie machten sich nachtfertig. Die scheiß BHs ausgezogen, ganz schnell ein T-Shirt drüber und schon lagen sie im Bett. Daggi ganz an der Wand, Laura in der Mitte, und Marie-Sophie an der Bettkante.

“Dann bekommst du deine Geschenke eben morgen früh” gähnte Marie-Sophie.

Laura wollte zwar noch etwas sagen, aber in ihrem Kopf drehte sich alles. 

Irgendwann brachte sie dann doch noch, gaaaanz leicht lallend heraus: “Mädels, ihr wisst schon, dass ich heute zum ersten Mal Alkohol getrunken hab’ ? Und geraucht?”

“Waaas?” fragte Marie-Sophie kichernd.

Es dauerte fünf Minuten, bis die drei an zu schwitzen fingen. Es war einfach zu warm – die Enge im Bett und der Sekt wirken unheilvoll zusammen.

„Boah mir ist echt zu warm!” Daggi setzte sich auf, zog sich das T-Shirt aus und warf es irgendwohin in Lauras Zimmer.

Laura hatte zwar eben, beim Umziehen, – und auch schon öfter in der Umkleide vor und nach dem Sportunterricht –  die ein oder andere Brust ihrer Mitschülerinnen gesehen, sich aber verschämt abgewendet. Aber Daggi war oben ohne  – und Marie-Sophie warf ihr T-Shirt gleich hinterher. Das war Gruppenzwang. Sie tat so, als würde es ihr nichts ausmachen, aber innerlich starb sie tausend Tode. Aber auch ihr T-Shirt flog im hohen Bogen irgendwohin. Und dann ging das Licht aus. 

“Habt ihr euren Mädels eigentlich schon mal Namen gegeben?” fragte Marie-Sophie beiläufig ins Dunkel.

Daggi und Laura brauchten einen Moment, um zu realisieren, was sie meinte, mussten dann aber auflachen.

“Waaas?”

“Ja…ich nenn’ meine Maire und die andere Sophie. Praktisch, wenn man ‘nen Doppelnamen hat.”

„Orr. Dann sind meine Dagmar und Caroline.”

“Na toll”, seufzte Laura, “ich bin nur ne Laura. Ohne zweiten Namen.”

“Dann nenn sie doch Laura1 und Laura2?” kicherte Daggi.

Es verging ungefähr eine Minute, bis Laura antwortete.

“Ich glaube, Laura1 ist n’ bisschen kleiner als Laura2.”

Da der Spruch so aus dem Nichts heraus gekommen war, mußten nun Marie-Sophie und Daggi laut aufgackern.

“1 ist immer kleiner als 2!” kicherte Marie-Sophie. 

“Boah, du Mathe-bitch!” erboste sich Laura giggelnd.

“Hey, süße…mach dir nix draus. Dafür hängt Sophie etwas tiefer als Marie.”

“Kann das sein, dass wir etwas betrunken sind?” fragte Daggi rhetorisch.

“Noooiinnn. gar nicht!”

Sie lagen fünf Minuten stumm und kämpften mit ihrer “Seekrankheit”. 

Dann machte es unter der Decke “pups”.

Marie-Sophie grummelte nur: “Ihr habt nichts gehört!”

Daggi und Laura kicherten wieder.

Nach einer Weile, Lauras Welt drehte sich wieder etwas langsamer, sagte sie:

“Ich glaub’, jeder Junge an der Schule wäre grad voll neidisch auf mich!”

“Warum?” murmelte Marie-Sophie schlaftrunken.
“Weil die hübschesten Mädchen der ganzen Stufe gerade nackt rechts und links in meinem Bett liegen!”

“Aber das hübscheste liegt mittendrin!” murmelte Daggi mit müder Stimme.

“Ich glaub’, mir ist schwindelig!” antwortete Laura – sie wusste nicht, warum ihr schwindelig war. War es der Sekt, Daggis Aussage oder beides zusammen?

“Das ist der Alkohol!” brummte Marie-Sophie, bevor sie einschlief.

Es dauerte nicht lange, da bewegte Daggi sich plötzlich, es schien so, als ob sie ihren Schlüpfer über die Beine nach unten streifte.

„Ähm, was machst du da?” fragte Laura entgeistert aber leise, um Marie-Sophie nicht zu wecken. 

“Mir is warm” murmelte Daggi nur müde.

Laura spürte, wie Daggi wohl etwas langsam unter der Decke mit den Füßen strampelte, um den Schlüpfer auf diese Art loszuwerden. 

“Daggi….” fragte Laura wieder ganz leise, “Was wird das?” Ihr Herz schlug schnell.

„Mir ist warm, ich bin betrunken und hab dich ganz doll lieb!” kam nur als ganz leise gemurmelte Antwort zurück. Und dann schmiegte sich Daggi an Lauras Schulter.

Laura blickte in die Dunkelheit an die Decke. Wenn Licht gewesen wäre, hätte man ihr rot angelaufenes Gesicht sehen können. Aber da Daggi sich nicht mehr bewegte, sondern wirklich auch eingeschlafen war, blieb Laura regungslos liegen. 

“Oh mein Gott…was passiert hier gerade?“ dachte sie nur bei sich.

Es drehte sich zwar nicht mehr alles, aber sie fühlte sich leicht wie eine Feder. Als würde sie über weiße Wolken durch den Himmel fliegen. Auch wenn Marie-Sophie auf ihrer linken Seite lag, aber so nahe an Daggi zu liegen und dieses Gefühl zu haben, von dem sie nicht mal wusste, wie sie es beschreiben sollte, es war bis dahin der schönste Moment in ihrem Leben.

Mit diesem Gefühl schlief sie irgendwann ein.

Hinterlasse einen Kommentar