das 104. Kamel – Bäder, Lesben und Delphine Teil 12 (Ende)

Ich habe die ganze Geschichte seit ungefähr einem halben Jahr im Kopf gehabt – und seit einem Vierteljahr dran geschrieben. Ich bin mit diesem Ende nicht sonderlich zufrieden, aber wenn ich es jetzt nicht raushaue, dann bleibt sie in meinem Kopf, und davon würde ich endgültig bekloppt. Daher muß der Unsinn raus. Damit die zukünftigen Textbeiträge wieder seriöser und unterhaltsamer werden.

Ich könnte es ja ganz kurz machen, und telegrammartig zusammenfassen, was passiert ist, als ich meiner Truppe durch das Tor folgte. Vielleicht wäre es dann nicht so langatmig, so (unnötig) detailverliebt.
Vielleicht sollte ich einfach „zum Schluß kommen“, und eine höchst merkwürdige Geschichte bald hinter mich bringen, damit ich schnell etwas neues, etwas unterhaltsames erzählen kann.
Aber das würde meinen Protagonisten nicht gerecht. Einige von ihnen haben mich seit Jahren begleitet – und die Geschehnisse, die in diesem vermaledeiten US-Stützpunkt noch passierten, sind in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur. Sowohl in der Geschichte selbst, als auch für mich. Klingt komisch, und ich weiß auch nicht, ob ich jemals die Gelegenheit haben werde, die ganze Meta-Ebene mal aufzulösen.
Aber dieses Ende ist wichtig. Auch wenn es nicht so lustig ist, wie man vielleicht hoffen mag.

„Viele Jäger sind des Hasen Tod“ heißt es ja. Das aber auch „Viele Hasen des IS-Terroristen Tod“ sind, ist bis dato der Weltgeschichte verborgen geblieben.
Als ich mich hinter den ZA-Mädels durch das Eingangstor des US-Stützpunktes quetschte, schoß mir dieser Gedanke durch den Kopf, und allerlei Kugeln um den Kopf.
„Martin! Kopf runter!“ eine Frauenstimme, ich weiß icht mal mehr, ob es Kerstin, Sally oder Johanna war, rief mir das zu, und im nächsten Augenblick wurde ich zu Boden gerissen, noch ehe ich mich umsehen konnte.
Wir hockten hinter mehreren umgekippten Fässern, und ich traute mich nicht mal umzusehen, mit wem ich da hockte. Ich hörte Kalashnikows feuern, ich hörte unsere Waffen das Feuer erwidern. Und immer zwischendrin „Allah hu akbar!“. Das waren jedenfalls nicht Weitwinkel uns seine Marine-Infanterie-Hasen, und auch nicht die Mädels des ZA.
Es war Sally, die neben mir hockte: „Das ist der letzte Einsatz des ZA, vor dem Ablauf der Frist. Da muß ich unbedingt dabei sein!“
„Na spitze! Sag mir lieber mal, wer wo ist, und wo wir hinmüssen!“
„Links vor uns sind ein paar Garagen und Verladerampen – da ist Weitwinkel mit seinen Leuten hin. Rechts vor uns sind Baracken, da sind die Terroristen. Kerstin und Johanna sind mit der ersten Gruppe Mädels schon mal vor, um hinten rum ranzu kommen. Wir sind die zweite Gruppe und, und gehen vorne rum!“
„Moment – da wo man von allen Seiten gesehn wird? Auf dem Präsentierteller? Spinnst du?“
Ich nahm einen vorsichtigen Blick über die Fässer: überall auf dem ganzen Gelände lagen Tote, meist amerikanische Soldaten, auch einige offensichtliche IS-Kämpfer waren darunter.
Zu meinem Bedauern sah ich aber auch drei Marine-Infanterie-Hasen und zwei ZA-Mädchen bereits im Staub liegen. Ich bekam einen Kloß im Hals. Das hier war jetzt wirklich ernst.

Ich erspare uns allen längere Schilderungen des Kampfgeschehens, nur so viel: Es war ein anstrengender Häuserkampf von Baracke zu Baracke. Eine Gruppe stürmte vor, die andere gab Feuerschutz und umgekehrt.
Tür auf, Handgranate rein, hinterherspringen, ganzes Magazin in den Qualm reinfeuern, hoffen das da keiner mehr zurückfeuert.
Natürlich gab es bei uns Verluste –aber ich zählte nicht mit. Ich hatte einfach keine Zeit dafür – und war mit mir selbst beschäftigt. Und so, wie es sich mir darstellte, hatten wir die IS-Kämpfer überrascht. Teilweise – man verzeihe mir die Ausdrucksweise – schien es, als ließen sie sich abknallen „wie die Hasen“.
Unsere Hasen jedoch, schienen sich recht tapfer zu schlagen, denn jedesmal, wenn ich mal einen Blick riskieren konnte, sah ich Weitwinkel und seine Mannen wacker kämpfen.
Nach einer dreiviertel Stunde hatten wir tatsächlich sowas wie eine Feuerpause: Ich hockte mit Johanna und drei Mädels ziemlich außer Atem und verschwitzt in einer Baracke – dem zertrümmerten Mobiliar war es wohl ein Büro gewesen. Ironischerweise hing das Bild von Barack Obama noch unzerstört und fröhlich grinsend an der Wand.
Ich hatte mich auf einen Bürostuhl fallen gelassen, und Johanna schob ihr Gesicht zwischen Jalousie und Fenster, um zu erfahren, wie es wohl draußen stünde. Die drei Mädels hockten auf dem Boden, und teilten sich Wasser und Zigaretten.
Kerstin, Sally und die anderen waren damit beschäftigt, die übrigen Baracken zu durchsuchen. Von Weitwinkel und seinen Marine-Infanterie-Hasen war momentan weder etwas zu hören noch zu sehen. Deshalb wagte Johanna einen Blick nach draußen.
Dann ging alles ganz schnell: Die Tür flog auf, und zwei der IS-Terroristen standen im Raum, die sofort das Feuer eröffneten. Ich war starr vor Schreck – und es dauerte einen Moment, bis ich die Fassung wieder errungen hatte. Zu spät: die drei Mädels, die gerade noch gelebt hatten, waren tot. Sie lagen blutüberströmt und zusammengesunken auf dem Fußboden. Die eine hatte noch die glühende Zigarette in der Hand.
Offenbar hatten die beiden Angreifer – junge Typen Anfang Mitte zwanzig, der Kleidung nach Zivilisten – nicht genug Kugeln für uns alle übrig gehabt, denn nun gingen sie die Kalashnikow als Keule nutzend auf mich los.
„Allah hu akbar!“ schrie der eine Kerl. Er hätte genausogut ein freundlicher Kollege aus meinem Studentenwohnheim damals in Bonn Auerberg sein können, mit dem man ganze Abende bei Whisy-Cola an der Bar verbringt. Aber das Schicksal wollte es anders.
„Dat heesch Kölle Alaaf!“ schrie ich, und riß meine Luger hoch, und wummerte nacheinander sechs Schuß in ihn rein – das Magazin war leer, der Verschluß der Luger stand offen und der junge Araber sank stumm zu Boden.
Mir war in diesem Blick wirklich nichts vernünftigeres eingefallen als „Kölle Alaaf!“. Das betrübt mich heute noch.
Zeitgleich erklang von der Tür ein wildes Geschrei – und ich sah, wie Sally mit einem langen Schrei von hinten auf den zweiten Angreifer zu rannte – mit erhobener Doppelklingen-Streitaxt in der Hand, die sie dann auch mit aller Wucht auf – nein in – seinen Hinterkopf schlug.
Schwer verletzt ging auch dieser Mann zu Boden. Was nun folgte – nun, eigentlich konnte ich nicht hinsehen, war aber wie von schockiertem Ekel gefesselt und gebannt. Sie hämmerte immer wieder mit aller Wucht auf den am Boden liegenden ein. Blut spritzte durch den Raum – Schädelsplitter und Gehirnmasse flogen wild umher; Sally erging sich in den wildesten gälischen Flüchen, wenngleich das immer wieder auf den nun Toten einschlagen sie sichtlich erregte. Der Kopf des Arabers war nur noch zur Hälfte da – die andere Häflte lag als rot-gelber Blut und Hirnbrei überall herum (und klebte pikanterweise als Hitlerbärtchen auf dem Bild von Präsident Obama).
„Sally!“ schrie ich. „Hör auf! Er ist tot!“
Aber sie war nicht aufzuhalten – im Gegenteil, nun ging sie daran und schlug wie wild auf den Oberkörper ein. Nicht mehr lange und sie würde ihm die Eingeweide heraus reißen.
„Killing my girls, aye? Fucking seventytwo virgins in paradise, aye?!“ fluchte sie und hieb weiter auf den Leichnam ein.
Das wurd mir denn jetzt doch zuviel – ich veriegelte meine Pistole, und schritt zu ihr hin, und hielt sie Sally an den Kopf: „Sally Alexis oConnor – stop it! Stop it at once! Or I´ll trim the walls with your brains!“
Endlich ließ sie von ihrem tun ab.
Erschöpf keuchte sie… „scheiße… Martin… ich wäre beinahe gekommen!“
Das ZA war nicht an die Genfer Konvention gebunden – und Sally im Blutrausch.
„Ja. EBEN WEGEN GENAU SOWAS hab ich dich damals entlassen!“
„Is ja schon gut Martin…“ sagte sie mit leiser Stimme, immer noch etwas keuchend und erhob sich. Sie ließ die bluttriefende Axt, die jedem twitterer alle Ehre gemacht hätte, zu Boden fallen.
Erst jetzt fiel mir auf, das ich Johanna nicht sehen konnte. Ich war erschrocken: hoffentlich war sie nicht auch getroffen worden! Doch ein langgezogenes seufzen hinter dem Schreibtisch ließ mich aufatmen: Sie lebte! Sally und ich stürzten über den Schreibtisch zu ihr hin. Johanna lehnte mit dem Rücken an der Wand, und preßte sich mit der rechten Hand auf den blutenden linken Oberarm.
„Ein Streifschuß – nichts ernstes…aua!“ sie biß die Zähne zusammen.
„Hanny…!“ Sally beugte sich zu ihr runter und untersuchte die Wunde.
Ich ließ mich durch ein Geräusch an der Tür ablenken – hoffentlich nicht schon wieder ein Angreifer!
Aber es war unsere Sanitäterin Daniela und ein Marine-Infanterie-Hase, die hastig zur Tür reingeflogen kamen.
„Ach du scheiße…was ist denn hier los?“ Daniela sah sich um.
„Dani, du kommst uns wie gerufen, kümmer dich um Johanna – sie hat was abgekriegt!“ In Situationen wie solchen, verschwinden die höflichen Anreden mit „Sie“ und Dienstgrad ganz, ganz schnell.
Ich wandte mich zu dem Marine-Infanterie-Hasen: „Und was führt Sie zu mir?“
Der arme Kerl zitterte am ganzen Leib.
„Frau Maier und Herr Weitwinkel schicken mich, mein Chef!“ nuschelte er. „Ich soll ausrichten, das wir die Baracken nun unter unserer Kontrolle haben – alle Feinde sind tot. Allerdings haben auch wir Verluste!“. Der Hase seufzte tief betrübt und weinerlich.
„Wie viele?“ wollte ich wissen.
„Zu viele!“ antwortete stattdessen Daniela, die gerade Johanna eine Spritze setzte. „Ich komm grad von da oben. Es sind einfach zu viele, Chef. Aber wenigstens haben wir die Schweine alle gemacht!“
Wieder wandte ich mich zu dem Hasen: „Wo ist Frau Maier jetzt? Und wo ist Weitwinkel?“
„Frau Maier ist oben im ersten Stock, und kundschaftet die Lage aus! Herr Weitwinkel ist…“
Wumm!
Eine riesige Explosion schnitt ihm das Wort ab – eine Druckwelle fegte durch den Raum und die Scheiben flogen uns in Splittern um die Ohren – wir flogen allesamt zu Boden.
„Was zur verfickten Hölle war das?“ schrie Sally.
„Hörte sich an wie eine russische RPG (eine Art Panzerfaust)!“ antwortete Johanna, die, nun frisch verbunden, nach Dani umsah.
Daniela lag regungslos auf dem Boden – und blutete stark am Kopf. Als ich genauer hinsah, bemerkte ich, daß ihr eine Glasscherbe ins rechte Auge gedrungen war!
Johanna stürzte sich nun auf sie, die sie gerarde selbst noch verarztet hatte: „Scheiße! Scheiße! Scheiße!“
Sally lugte nun vorsichtig am Fenster: „Ich seh nichts… diese Gottesficker trauen sich nicht mehr, oder was?“ es folgten wieder eine Menge gälischer Flüche, die ich weder dem Wortlaut geschweige denn dem Sinn nach wiedergeben kann.
Neben mir kauerte nun der Hase.
„Ich habe Angst.“ seufzte er, leise weinend.
Ich überlegte, was zu tun sei – einerseits mußte ich unbedingt mit Kerstin sprechen, aber erstmal wollte ich den armen Kerl beruhigen.
„Wie heißen Sie, mein Freund?“
„Ich heiße Kurt und bin ein Hase.“
Ich klopfte ihm auf die Schulter. „Alles gut, Kurt…wir kommen hier auch wieder weg!“
„Hoffentlich…ich mag eigentlich keine lauten Geräusche…“ seufzte er hummelnd.
„Warum sind Sie hier, was machen Sie denn sonst?“
„Ich bin hier, weil mein Landesherr Weitwinkel auch hier ist. Darum habe ich mich frreiwillig gemeldet. Im Zivilberuf bin ich stellvertretender Bonsai-Beauftragter im botanischen Garten. Ich sitze vor den Bonsaibäumen, lutsche am Daumen und pflege die Bonsaibäume. Mein Bein tut weh. Ich will nach Hause.“
Erst jetzt sah ich, das auch er an seitem linken Bein (oder sagt man da Pfote?) stark blutete.
„Sally! Kümmer dich mal um den Kameraden hier!…Ich geh mal Kerstin suchen…das wird mir alles zu bluttriefend hier!“
Ein letzter Blick noch zu Johanna, die sich um Dani kümmerte – vorsichtig zog sie einen langen Glassplitter aus ihrem Auge, und Dani stöhnte horrorerregend. Höchste Zeit, das ich da raus kam!

Die „Verwaltungbaracke“ in dessen Erdgeschoß wir uns befanden, war zweigeschossig. Ich hastete die Treppe hoch – dabei immer wieder über Leichen steigend. In der Mehrzahl tote Terroristen, tote Amerikaner aber leider auch immer wieder mal ein vertrautes Gesicht eines ZA-Mädels.
Oben angekommen, traf ich Kerstn, die auch an einem Fenster hockte, und Ausschau hielt:
„Martin, Kopf runter!“
In dem Raum, ebenfalls ein Büro, befanden sich außer ihr noch so ca. 12-14 ZA-Mädels.
„Kerstin… wo sind die anderen?“
„Tot Martin, tot.“
Ich kroch zu ihr ans Fenster.
„Martin – ich habe eine schlechte und eine gute Nachricht…“
„Laß mich raten – die schlechte ist, das wir ziemlich hohe Ausfälle haben, oder?“
„Ja.“
„Und die gute?“
„Wir haben 121 von den Arschgeigen gekillt – die Mädels hier und ich haben gerade zusammengezählt.“
„Dann machts mit denen unten 123.“
„Wie geht’s den anderen?“
„Johanna hat einen Streifschuß abbekommen, Dani hat einen Glassplitter ins Auge bekommen – keine Ahnung wie schlimm das ist. Einer von Weitwinkels Hasen ist bei uns – aber auch verletzt.“
„Und Sally?“
„Sally geht’s gut. Kennst sie doch.“
„Etwa die Axt?“ fragte Kerstin distingiert.
„Ja…“
Sie seufzte. „Na schön – so wie es aussieht haben wir die Gebäude alle unter Kontrolle – bis da hinten den Flugzeughangar und den Tower. Da haben sich wohl welche von den Brüdern eingeigelt –mit schweren MGs und Granatwerfern.“
Ich riskierte einen Blick über die Fensterkante – und sah eine große Freifläche zwischen unserer Position und dem Hangar samt Tower.
„Freies Schußfeld, Kerstin. Wenn wir alle da drüber laufen, dann machen wir uns alle zu Zielscheiben.“
„Wir brauchen Ablenkung und Feuerschutz…“
„Ja – ich möchte bloß wissen, wo Weitwinkel mit seinen Leuten steckt.“
„Die sind dahinten, auf der anderen Seite der Straße, irgendwo bei den Garagen.“

Ich rekapitulierte wieder einmal kurz in Gedanken, warum wir hier waren, was hier eigentlich unser Ziel war, und auf was es jetzt an kam: Ok, bis jetzt hatten wir einen Stützpunkt zur Hälfte eingenommen, aber immer noch keine Atombombe gefunden. Dafür aber viele Terroristen.
Nach logischem Denken kam ich zu dem Schluß: Wenn es hier überhaupt eine Bombe gäbe, dann wäre sie in der Nähe der Flugzeuge. Und dort würde auch die „fähigen“, die Anführer der Terroristen sein. Und genau da mußten wir hin.
Aber eingedenk der Verluste unserer Truppe, hielt ich es für geraten, daß das eine Aufgabe derjenigen sein sollte, die den ganzen Unfug hierzu verantworten hatten.
Ich wandte mich zu den Mädels im Raum: „Alle mal herhören! Diejenigen, die noch fit sind, bleiben hier oben, und werden uns gleich Feuerschutz geben – die verwundeten gehen bitte nach unten. In den Raum genau unter uns!“
„Martin, was hast du vor?“ wollte Kerstin wissen.
„Das kann ich dir mit einem Wort sagen: Wir, d.h. du, Sally, Johanna und ich, wir bringen das hier jetzt zu Ende. Wir suchen erst Weitwinkel, und lassen uns von ihm und den paar Mädels hier Feuerschutz geben.“

Gesagt, getan: zur viert schlichen wir also aus den Baracken auf der Suche nach dem verlorenen Weitwinkel.

Um zu der Garagenhalle zu kommen, mußten wir den Platz überqueren. Dort lagen schon einige tote US-Soldaten und niemand hatte Lust, sich zu ihnen zu legen. Leider beherrschte der Tower das ganze Gelände.
Also wie rüber kommen? Es lief wohl darauf hinaus, das wir einzeln einen Spurt würden hinlegen müssen.
Ein vorsichtiger Blick auf den Tower verriet mir, das sich dort oben fünf Terroristen aufhielten – drei mit schweren Maschinengewehren und zwei mit Panzerfäusten (keine Ahnung ob das russische RPG oder amerikanische LAW waren.)
„Vielleicht sollten wir einen Bauchtanz aufführen um sie abzulenken?“ frotzelte Johanna, als ich meinen Begleiterinnen das Ergebnis meiner Beobachtung mitteilte.
„Ja genau. Martin zeigt seinen Bauch, und wir tanzen dazu.“ grinste Sally.
In anbetracht der Sitation schien mir das für einen Moment die bessere Alternative – aber nunja.
„Und, was meinst du dazu, Kers…“ ich kam nicht dazu, mir die dritte Meinung einzuholen, denn aus allen Ecken tönte auf einmal eine Lautsprecherbeschallung:
„Festgemauert in der Erden / Steht die Form, aus Lehm gebrannt. Heute muß die Glocke werden. Frisch, Gesellen seid zur Hand ! … Tandaradei – ich zoch mir einen Falken / Als Eselbruck reicht mir heut kein Balken…“
Weitwinkel! Offenbar hatte er die Lautsprecheranlange gefunden, in Gang gesetzt und erfreute uns nun mit Fragmenten klassischer Bildung. Das blieb auch nicht ohne Wirkung: Denn aufeinmal kam eine Horde von ca. dreißig Terroristen aus der Richtung des Hangars und Towers in unsere Richtung gelaufen. Außerdem pfiffen die ersten Granaten heran, die munter Staub- und Splitterwolken verursachten, als sie zwischen Tower und unserer Position einschlugen.
Aus der Garagenhalle stürmten Marine-Infanterie-Hasen auf die Terroristen zu – wozu also noch zu ihnen rüber laufen?
Warum überhaupt noch irgendwas organisieren?- dachte ich: und Kerstin, Johanna und Sally waren schon längst losgelaufen, um es den vorwärts stürmenden Hasen gleich zu tun.
Ich also hinterher – mit dem Erfolg, das offenbar irgendjemand beschlossen hatte, sich mit einem Maschinengewehr auf mich einzuschießen.
Ich sprang einfach in das nächste Sandloch, das ich finden konnte: direkt neben Kerstin, die sich gerade ihre Reserve-Munition aus den Taschen holte und ihr Gewehr nachlud. Kaum lag ich neben ihr, sprangen von rechts und von links auch Sally und Johanna zu uns in das Loch – eine MG Salve spritzte jeweils hinter ihnen im Sand auf.
„Mädels!“ ich versuchte, gegen den ohrenbetäubenden Lärm anzukommen „ihr wißt, daß ich in zehn Minuten aufm Jobcenter in Sinzig einen Termin habe!!!“
Wieder pfiff eine Granate heran – die keine 10 Meter vor uns auf dem Boden detonierte, und uns in eine Staubwolke einhüllte. Ein ent-setz-liches fiepen hatte ich in den Ohren. „Tja… ich schätze, die werden heute wohl auf dich verzichten müssen!“ schrie mir Kerstin ins Ohr – sprachs, und wummerte mit ihrem FG42 wieder ein paar Schuß in Richtung Feind, bevor sie sich wieder zu uns runter duckte.
Und dann stand auf einmal wieder die Zeit still.
Sally sah mich an. „Hey Martin…“ grinste sie. „guck mal: wir vier. Wieder vereint. Du, Kerstin, Johanna und ich. Wie früher. Wie in alten Zeiten!“
„Sally…Wir haben keine Cherry-Coke. Keine Lucky Strikes und wir haben keine Akne mehr!“
„Dafür haben wir ne Menge Rock´n´Roll, findest du nicht?“
„Aaalles bestens, Sally… ich häng hier mit drei bis unter die Zähne bewaffneten jungen Frauen und mit werweißnochwievielen bis unter die Zähnen bewaffneten humanoiden Hasen in Marineuniform in der arabischen Wüste unter feindlichem MG-Feuer fest, und das obwohl ich eigentlich beim Jobcenter sein müßte. Wenn ich das twittern würde, würde mir das doch kein Mensch glauben! Mehr Rock´n´Roll geht nicht!“
Johanna lachte: „Wir sind alle was älter geworden. Aber es macht immer noch Spaß!“ (Ich hatte so stark in verdacht, daß die Spritze, die sie eben noch von Daniela verabreicht bekommen hatte, alles, nur kein Morphium erhielt – so euphorisch wie sie klang…)
„Älter und reifer!“ ergänzte Kerstin.
Ich blickte zweifelnd Sally an. „Reifer? Naja…!“
„Ey!“ sie stupste mich in die Seite „welcher Langzeitarbeitslose darf schon mit so schönen, höchst sexy Kampflesben wie uns die Welt retten? Hä?!“
Ich seufzte… „ach Sally… ich hab dich auch vermißt!“ und dann gab ich ihr einen Kuß auf die Wange.
„Na also – geht doch!“
„Also – wenn ich es mir aussuchen könnte, mit wem ich zusammen unter feindlichem Feuer liegen muß – dann seid ihr es!“
Eine riesige Explosion ließ duns zusammenzucken – als ich aufsah, sah ich zwei brennende, tote Marine-Infanterie-Hasen rückwärts durch die Luft auf den Boden fliegen.
„Es wird Zeit, das wir hier vom Fleck kommen!“ rief ich – und suchte nach dem Reservemagazin meiner Pistole.
„Bei vier!“ rief Kerstin, um gegen den Lärm anzukommen – und vier..das war ein alter Joke, den nur wir vier in diesem Sandloch kannten.
„Warte!“ Unterbrach sie Sally „Wir gehen alle dabei drauf, aber wenn das hier der letzte Einsatz ist, dann will ich wenigstens gut dabei aussehen!“
„Was um Himmels Willen hast du vor?“ fragte ich sie, während ich meine Luger geladen und ensichert hatte.
Ich brauchte nicht lange auf die Antwort warten: Sally zog sich ihr T-Shirt aus. (sie und ich waren ja die einzig zivil gekleideten in der ganzen Truppe). Damit nicht genug: Sie begann sich am schwarzen BH rumzufummeln, der kurz danach aufsprang.
„Sally?! Bist du irre? Was soll das geben?“
„Diese Kamelficker sind doch alle sexuell frustrierte Irre“ (wie zur Bestätigung ertönte zwischen dem Gefechtslärm mal wieder ein „Allah hu akbar!“) „…die haben noch nie vernünftige Titten gesehen!“ –sprachs – und im selben Augenblick lagen die ihrigen frei.
„Sally – bitte! Wir sind keine spätpubetären 16-17jährigen mehr!“
„Hast du was gegen meine Titten?“
„Nein!…aber…das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um blanz zu ziehen! Willst du die IS-Terroristen etwa blenden? Kerstin, sag du doch was…!“
„Sorry Martin…aber ich werde nicht mit meiner Frau über ihre Titten diskutieren. Alle fertig?“
Ich schüttelte nur den Kopf. Das war typisch Sally, und das war typisch Kerstin.
Wir hockten mit unseren Waffen mit dem Rücken zum Feind. Kerstin zählt runter „ein – zwei – vier!“ wir drehten uns um, sprangen auf, und stürmten vorwärts.

Hirnrissigerweise spielte die Lautsprecheranlage nun einen Walzer: „an der blauen Donau“ von Johann Strauss.
Die Terroristen, die Marine-Infanterie-Hasen und wir waren nun näher als Schußdistanz nherangekommen: es entwickelte sich eine wilde, üble Keilerei. Gewehrkolben wurden als Keulen verwendet, Sally ließ (man bedenke: oben ohne!) ihre Axt tanzen d.h. in Gehrine niedersausen, Kerstin probierte sich in Judo und Karate-Tritten und ansonsten in Pistolenschüssen, Johanna boxte, schoß und schlug – und alles in Strauss´ Dreivierteltakt…
Ich stand irgendwie „daneben“ – oder „neben mir“, je nach Sichtweise.
Endlich entdeckte ich Weitwinkel – er stand auf einer LKW-Verladerampe und hatte gerade wohl seine Maschinenpistole leer geschossen, als zwei IS-Terroristen auf ihn zustürmten.
„Weitwinkel! Achtung!“ rief ich noch, um ihn zu warnen.
Weitwinkel sprang in Zeitlupe!!! MATRIX-artig von der Laderampe in die Luft, die Arme weit von sich spreizend – (an seinen Händen bildeten sich diese Dimensionswellen), nahm seinen Säbel – Salamanassar den IV. – und vollführte eine Drehung um 360°, bei der er den beiden Terroristen die Köpfe vom Hals trennte, die bluttriefend zu Boden fielen.
Dies war alles in Zeitlupe geschehen, während um diese Szene herum das Geschehen in normaler Zeit weiterlief. Wie und warum das so war, kann ich nicht sagen.
Und dann explodierte Granate in seiner unmittelbarer Nähe. „Oh Nein!“ dachte ich – und rannte mitten durch das Kampfgetümmel auf ihn zu.
Doch aus der Staubwolke tauchte hustend Athanasius Weitwinkel wieder auf.
„Gottseidank – Weitwinkel, ihnen ist nichts passiert!“
„Sie wissen doch, mein Chef – mein Vorname beideutet „der unsterbliche“. Ich dachte mir, Sie könnten etwas Musik zur Ablenkung gebrauchen, da habe ich…“

Ich weiß nicht mehr, was er noch sagte – denn ich erinnere mich nicht mehr. Plötzlich wurde es dunkel. Das nächste, was ich sah, waren Sallys Brüste und Weitwinkel– beides sehr dicht an meinem Gesicht über mir.
„Martin – hörst du mich?“
„Ja, Sally ich höre dich.“ mein Schädel dröhnte dezent. „Was ist passiert?“
„Du hast einen Schlag abbekommen, und warst weg.“
„Wie lange?“
„Vielleicht zehn Minuten – wir haben sie fertig gemacht!“
Meinen armen Schädel reibend erhob ich mich – „ich hoffe, du hast mich nicht mit deiner Axt erwischt…“
Ich sah mich um.
„Bist du okay?“
„Glaub schon… ich bekomm nur dieses Milchreisrezept nicht mehr aus dem Kopf.“
„Dann bist du okay!“
„Wo sind denn alle? Wo ist der Tower?“
„Den Tower hat Johanna gesprengt, und die Terroristen gleich mit. Jetzt sind sie und Kerstin an dem Flugzeughangar und liefern sich jetzt ein Wortgefecht mit dem Anführer der Terroristen.“
„Wie? Gesprengt? Was fürn Anführer?“ ich war immer noch verwirrt.
„Der Anführer der IS-Terroristen hat im Flugzeug-Hangar verschanzt. Nachdem Johanna eine Panzerfaust in die Finger bekommen hat, um den Tower in die Luft zu jagen, wars hier plötzlich ruhig – und die Habbacks haben wohl offenbar begriffen, das sie verspielt haben.“
klärte mich Sally auf.
IS-Terroristen, die auf einmal verhandeln wollen? Das kam mir mehr als komisch vor…
„Sally…Weitwinkel… die wollen nicht verhandeln, die wollen Zeit gewinnen! Los, zum Hangar!“ ich rannte los – auch wenn mir bei jedem Schritt der Kopf noch schmerzhaft wummerte.
Als ich an dem Hangar ankam, stritten Kerstin und Johanna offensichtlich miteinander über die weitere Vorgehensweise. Beide standen links und rechts einer seitlichen Eingangstür, die offen stand. Für einen kurzen Moment konnte ich drinnen Teile eines Flugzeuges erkennen – aber ein näherer Blick hinein wäre zu gefährlich gewesen.

Johanna kam mir einen Schritt entgegen: „Martin – der Typ da drin nennt sich „Captain Mahmoud“. Er will das wir ihn fliegen lassen, oder er droht uns hier vor Ort in die Luft zu sprengen!“
„Soso…Captain Mahmoud – paßt ja zu nem Flugzeugentführer. Will er die Bombe zünden, oder hat er nen Sprengstoffgürtel, wie sich das für nen richtigen Terroristen gehört?“
„Keine Ahnung. Ich würd ihn ja am liebsten umbringen, aber Madame Diplomatie hier“ – sie deutete auf Kerstin „möchte ja unbedingt erst mit dem Typ reden!“
„Ich habe kein Problem damit hier alles in die Luft zu sprengen, Johanna. Aber bevor ich das mache, möchte ich gerne wissen, ob ich damit eine atomare Explosion gleich mitauslöse, oder nicht!“

„Wenn ihr zwei nichts dagegen habt, sprech ich mal mit ihm!“ entschied ich, und zwängte mich an den Rand der Tür.
„Captain Mahmoud?“
„Ah…finally a man in this sick army of girls and rabbits!“ tönte es in gebrochenem englisch.
„What do you want?“
„Let me flay away, or I will explode that nuke at this place now!“
Ich wagte einen vorsichtigen Blick in das innere des Hangars.
Da stand ein Flugzeug, eine F16, und keine F117, wie eigentlich erwartet. Aber unter dem Flügel hing etwas, das weder nach Rakete noch nach Zusatztank aussah. Und an dem Flugzeug stand ein Mann mit Kalashnikow – er hatte mich ebenfalls gesehen.
„No step forward – or I will blow up this place!“ schrie er „Let me go – the americans will bee here soon, and if Im still here I will blow up us also…“
Er hatte zwar keine Pilotenmontur an, aber ich konnte nicht erkennen, ob das unter seiner Splitterschutzweste Sprengstoff war, oder nicht. Ich zog mich wieder hinter die Tür zurück, um zu überlegen, wie man am besten mit ihm verhandeln solle.
Die Entscheidung wurde mir abgenommen: Mit den Worten
„Wir können ihn nicht gehen lassen!“ drängte sich Sally an mir vorbei und stürmte in den Hangar, und schoß ihn mit drei Schüssen nieder.

Das war so schnell gesehen – das weder Johanna noch ich, oder gar Weitwinkel und Kerstin, sie hätten aufhalten können. Wir konnten Sally nur hinterher rennen – und mußten dann mit ansehen, wie Captain Mahmoud noch im Niedesinken ebenfals Schüsse auf Sally abgab. Es waren vielleichgt sechs oder sieben, aber nur einer traf.

Sally sank zu Boden – ich wußte in diesem Moment – in this very moment – sie würde sterben. Ich wollte nicht, daß dies geschieht, irgendwo hoffte ich, sie würde nicht sterben. Aber ich habe leider manchmal die Angewohnheit, Dinge, schneller noch als andere zu begreifen. Zugegebenermaßen nicht immer – auch ich habe bisweilen eine lange Leitung. Aber hier wußte ich: Das wird Sally nicht überleben.
Johanna und Weitwinkel stürzten auf „Captain Mahmoud“ zu, und feuerten mit ihren Pistolen solange auf ihn, bis ihre Magazine leer waren. Bei jedem Schuß, der ihn traf, zuckte sein Körper grotesk hin und her – und als endlich Stille herrschte, breitete sich eine große Blutlache um ihn herum aus.
Kerstin und ich waren zu Sally geeilt, die auf dem Boden lag, und mit starrem Blick auf dem Rücken lag.
„Saaaallly!“ schrie Kerstin, sie rüttelte an Sallys Oberkörper, aber Sally konnte nur röcheln.
Kerstin und ich beugten uns zu ihr runter. Sally hustete – und spuckte dabei etwas schaumiges Blut. Ich wußte, was das bedeutete, und Kerstin wußte es ebenso: mindestens ihre Lunge war getroffen. Und angesichts unserer medizinischen Versorgung war jede Hoffnung vergebens.
„Kerstin…Martin…“ röchelte Sally. Ihr Gesicht war nicht blaß, ihr Gesicht war weiß. Ihre Lippen waren blutleer.
„Wir haben doch gewonnen, oder?“
Kerstin nahm ihren Kopf in beide Hände, strich ihr die Haare von der Stirn, und mühsam gegen Tränen ankämpfend sagte sie: „Ja…Darling…wir haben gewonnen. Die Bomben sind gesichert, die Terroristen sind alle tot.“
„Martin…?“ Sally versuchte den Kopf zu mir zu drehen, aber ich beugte mich ganz nah vor ihr Gesicht.
„Ich bin hier, Sally.“
„Martin… es tut mir Leid wegen damals…hörst Du?“
„Ja, Sally…ich höre dich.. „
Ich nahm ihre Hand. Und versuchte ihr zu vergeben. Ob es mir gelungen ist, weiß ich bis heute nicht.
„Versprichst Du mir, daß du das ZA nicht auflösen wirst?“ – ich hätte mir denken können, wem oder was ihre letzte Sorge galt.
Ich dachte kurz an die vielen jungen Frauen, die heute mehr oder weniger sinnlos ihr Leben hatten lassen müssen, aber ich dachte auch an die Stiftung, an Johanna, an unsere Freundschaft, an unsere „wilden Zeiten“ zusammen mit Kerstin – und natürlich auch an ihre Fehltritte.
„Hab keine Sorge Sally – das ZA bleibt weiterhin.“
Ein krampfhaftes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Kerstin?“
Ich sah, wie Sally ihre Lippen bewegte, und Kerstin mit ihrem Ohr ganz nahe kam.
Auch wenn ich nicht verstand, was sie sich sagten, es wahr doch wohl ein „ich liebe dich“
„ich liebe dich auch!“
Ganz zum Schluß, Kerstin weinte schon, ergriff Sally mit letzter Kraft noch einmal Kerstins Hand, und zog sie nah an sich heran, um ihr etwas zu zu flüstern. Ich wußte nicht, was es war, ich sah nur, wie Kerstin nun vollends in Tränen ausbrach, und mit „ja!“ antwortete.
Sally war tot. Es war förmlich zu spüren, wie ihre Seele ihren Körper verließ.
Wie versteinert starrte ich auf ihr Gesicht, das nun nicht mehr war, als eine tote Hülle aus Materie – ihr Geist, ihr Esprit, ihre Seele, ihr Witz aber auch ihr Leid war nun endgültig von ihr gewichen.
Johanna kniete sich neben Kerstin, und nahm sie in den Arm.
Ich fuhr mit meiner Hand über Sallys Gesicht, um ihr die Augen zu schließen. Und, ob man es glaubt oder nicht, in diesem Augenblick schien sie zu lächeln. Ihren Frieden gefunden zu haben.
Weitwinkel war an mich herangetreten –und klopfte mir auf die Schulter. In diesem Moment irritierte mich das, eine so „erwachsene“ und „seriöse“ Geste hatte ich nicht von ihm erwartet.
Ich stand auf.

„Wir müssen hier weg. Johanna, bring Kerstin rüber zu den anderen.“
„Wir können Sally doch nicht einfach hier liegen lassen!“ Kerstin war außer sich.
„Kerstin, wir können nicht jeden unserer Toten mitnehmen – wir müssen unsere Leute hier begraben, bevor die Amerikaner kommen. Die werden hffentlich so schlau sein, Freund von Feind zu unterscheiden.“
„Ich gehe nicht ohne Sally!“ sie riß sich von Johanna los, und bemühte sich, Sallys Leichnam aufzuheben.
„Martin – ich werde nicht ohne Sally hier weggehen! Und es ist mir grad scheißegal, was du davon hälst!“
Ich kannte Kerstin zu lange, um ernsthaft einen Versuch zu unternehmen, sie von ihrem Vorhaben abzubringen.
„Johanna – helf ihr!“ seufzte ich.
„Kommen Sie, Weitwinkel, gehen wir unsere Überlebenden einsammeln, und unsere Toten begraben.“

Als wir diesen Stützpunkt, diese gottverlassene Airbase in der arabischen Wüste, verließen, waren wir noch 47: Kerstin, Johanna, Weitwinkel, die schwer verletzte Sanitäterin Daniela, der schwer verletzte Hase Kurt, 29 weitere Marine-Infanterie-Hasen, 12 Kampflesben des ZA und ich.
Als wir angekommen waren, waren wir einhundertundvier.
Wir hatten verhindert, daß IS-Terroristen eine Atombombe in ihre Gewalt bekommen hatten. Vielleicht hatten wir mit dazu beigetragen, daß ein durchgeknallter US-Offizier auf Donald Trumps Befehl hin diese Bombe auf Mekka hätte werfen können.
Aber alles in allem war es, wie in jedem Krieg: Wir ließen Leichen zurück. Tote, junge Menschen, die ein Leben vor sich gehabt hätten, wenn nicht Politiker, Geheimdienstleute und religiöse Fanatiker diesem Leben ein anonymes, sinnloses Ende bereitet hätten.
Als wir nach einem langen Ritt ohen Pause wieder an der Küste ankamen, staunte die verbliebene U-Boot Besatzung nicht schlecht, wie wenige wir nur noch waren. Die Kamele ließen wir am mit Teutel Kabelbaum vereinbarten Treffpunkt zurück.

Während der Überfahrt zurück durchs rote Meer sprach niemand von uns ein Wort. Sally Leiche hatten wir im Bugtorpedoraum aufgebahrt. Weitwinkel pflegte seinen Hasen-Kameraden Kurt und unsere Sani-Dani. Ihr Auge, mit dem sie mir noch keck zugezwinkert hatte, war wohl nicht mehr zu retten.
„Wir werden sehr viel zu bweinen haben, auf unserem Weinfest.“ Seufzte Weitwinkel einmal trübsinnig – aber viel mehr sprach auch er nicht.
In der Offiziersmesse saß Kerstin wie zu einer Säule erstarrt – aß nichts, sagte nichts, bewegte sich nicht. Und hatte doch immer die Augen dabei geöffnet.
Neben ihr saß Johanna am Tisch, mit einer Anzahl an Metallmarken, vor sich, die sie der Reihe nach ordnete – und in einer Namensliste wohl den entsprechenden Vermerk machte: „gefallen“.
„Martin!“ Johanna fing an zu weinen. „Ich habe achtunddreißig Mädchen verloren! achtundreißig! Von fünfzig!“
Ich nahm sie in den Arm.
Was sollte ich anders tun? Was sollte ich sagen?
„Martin… ich weiß….das alles ist hier ja nur virtuell… aber warum tut es dann so verdammt weh?“ sie sah mich fragend und weinend an, und dann stützte sie sich vornüber auf den Tisch und vergrub ihr Gesicht in ihren Armen.
Ich mußte rauf an Deck – hier unten hielt ich es nicht länger aus.

Fünf Tage später:
Nicht weit vom Bodendorfer Schwimmbad gibt es einen Solatenfriedhof – dort liegen Männer, die die Gefangenenlager in den Rheinwiesen nach dem Krieg nicht überlebt haben. Das Areal ist von einer kleinen Bruchsteinmauer eingefaßt. Wir wollten Sally nicht auf diesem Friedhof beerdigen, aber zumindest in unmittelbarer Nähe: Die Stelle leigt in einer grünen Flußaue der Ahr, man hört die Bäume rauschen, die Vögel zwitschern. Wenn sie denn zwitschern – denn es war mittlerweile Herbst geworden – der Himmel war grau und es war kalt. Wie „bestelltes Beerdigungswetter“.

Die Trauergemeinde war sehr klein: nur Kerstin und ich, Dr. Heimlich, Weitwinkel, der Pastor, zwei Meßdiener, vier Sargträger. Johanna und Daniela Kunstler waren natürlich auch da – aber sie gehörten zu der kleinen Ehrenformation, die am Grab Aufstellung genommen hatte. Dort standen die überlebenden ZA-Mädchen unseres Arabien-Abenteuers. Mit Gewehr – an erster Stelle Daniela. Den Abzeichen an der Uniform nach war sie befördert worden. Sie trug immer noch eine Augenklappe.
Vor der Formation stand Johanna, ebenfalls in Uniform. Ich sah ihr in die Augen – sie hatte einen leeren, traurigen Blick. Sogar eine Träne meinte ich in ihren Augen erkennen zu können. Aber ihre Wangen und Lippen wirkten blutleer.
Als der Pastor seine Predigt beendet hatte, stimmten der Dudelsackpfeifer und die Sängerin das Lied „Greensleeves“ – Kerstin und ich waren übereingekommen, daß es am besten zu Sallys Beerdigung paßte.
Der Sarg senkte sich langsam in die ausgehobene Grube nieder.
Kerstins Gesicht war tränenüberströmt, wie ich durch den schwarzen Flor erkennen konnte.
„Weißt Du, was Sally mir als letztes ins Ohr geflüstert hat, bevor sie starb, Martin?“
„Nein…was denn?“
„Paß auf Martin auf!“ – sie fing wieder an zu weinen und ich nahm sie noch fester in den Arm. Bein Blick ging zurück auf Sallys Sarg. Ich konnte in diesem Moment keinen klaren Gedanken fassen.
Johanna kommandierte: „Aaachtung!“ die Ehrenformation legte an,
und auf das Kommando „Feuer!“ folgten im Abstand von jeweils einer Sekunde drei Schüsse. Dadurch wurden wohl in der Umgebung ein paar Krähen aufgeschreckt, die sich lauthals krähend aus den Baumwipfeln in den grauen Herbsthimmel erhoben.

Nach der Beerdigung nahm mich Dr. Heimlich auf dem Parkplatz kurz beiseite.
„Ich entschuldige mich in aller Form, daß ich mich derartig habe täuschen lassen, mein Chef!“
„Schon gut, Heimlich. Sally wollte unbedingt ihre letzte Schlacht schlagen, und die hat sie auch bekommen. Wenn sie Sie nicht gelinkt hätte, dann jemand anderen von uns. Und irgendwie hat sie uns alle gelinkt… naja… Der Friede sei mit ihr.“
„Da gibt es noch was, was ich Ihnen sagen muß, Chef: Donald Tump wird die Wahl zum US-Präsidenten gewinnen!“
„So – ich denke, die Umfragen sehen Hillary Clinton vorn. Alle wollen sie.“
„Das kann vielleicht sein, mein Chef – aber Trump wird trotzdem der nächste Präsident. Glauben Sie mir. Ich habe mich vielleicht von Frau oConnor täuschen lassen, aber das hier wird so passieren. Das garantiere ich Ihnen als Ihr Geheimdienstchef!“
„Na wenn sie meinen. Verhindern können wir seine Wahl nicht, oder?“
„Nein. Wir werden in Zukunft aber gut auf ihn aufpassen, um eine solche… nunja…häßliche Situation wie in Arabien zu vermeiden.“
„Das will ich schwer hoffen, Heimlich!… Aber wenn Sie sich so sicher sind, das die Clinton nicht gewählt wird – was, wenn ich fragen darf, wäre eigentlich das „Gegenmittel“ gegen sie gewesen?“
„Ach…das hatte ich Ihnen nicht gesagt?“
„Nein.“
„Nun… im Falle einer Notwendigkeit, Hillary Clinton zu diskreditieren, hätten wir intime Nacktfotos von ihr veröffentlicht, aus denen eindeutig hervorgeht, das sie keine Frau ist.“
Ich facepalmte.

-ENDE-

Ende? – nein. Nicht ganz: das hier gehört noch zum Text dazu – bitte ansehen!

 

Und wer mag- die ganze Playlist zum Film gibt es hier:

1 – Martin the Bademeister walks around the pool (Seed – Ding)
2 – Heimlich´s Theme (Sherlock – the game is on)
3 – Fortbildung / Song for Ludmilla (Korobushka)
4 – Johanna, parade your girls! (Elisabether Marsch, Joh. Strauß Vater)
5 – Martin´s passed years (Sailor – girl girls girls)
6 – Kerstin´s memories (Rod Steward – I am sailing)
7 – On Sea – fight the dolphin (Das Boot – Konvoi)
8 – Thoughts to the women (Max Giesinger – wenn sie tanzt)
9 – Weitwinkel´s Theme (Bert Kämpfert – Similau)
10 – Kabelbaum & the Mossad´s Camels (If I were a rich man)
11 – Desert Pain & Rough Asses (Sting – desert rose)
12 – Whistling Johanna (Kannst du pfeifen, Johanna?)
13 – ZA battle-mode (Girls und Panzer -Sabaton – Coat Of Arms)
14 – The Snöffisch Grenadiers ( from Barry Lyndon British line infantry attack)
15 – rumbling with the terrorists ( Johann Strauss – an der blauen Donau)
16 – Sally´s Funeral (greensleeves)
17 – outro (the eagle has landed)

 

 

3 Gedanken zu “das 104. Kamel – Bäder, Lesben und Delphine Teil 12 (Ende)

  1. Pingback: Das 104. Kamel – Bäder Lesben und Delphine Teil 11 | senior525's Blog

  2. Hat dies auf Buntwesenwelt rebloggt und kommentierte:
    Furioses Finale einer grandiosen Geschichte. Gemetzel, Gefallene, Gerettete … und eine abgewendete Bedrohung. Mittendrin der Chef, der mit dem Ende nicht ganz zufrieden ist, sich jedoch nun wieder neuen Aufgaben und Abenteuern widmen kann.

    Lesetipp … gilt natürlich auch für alle vorherigen Teile!

  3. Ein episches Ende für einen großartigen Blogroman!

    Lieber Martin, ich finde es toll, dass du diese Geschichte mit uns geteilt hast und ich bewundere die Kreativität deiner in deinem Kopf herumspukenden Ideen, sowie all die vielen Details, durch die die Geschichte so amüsant und lebendig wird. Bitte verzichte in Zukunft nicht auf diese. Und ich finde es toll, dass du das trotz der Kritik, die es offenbar gab, durchgezogen hast. Aber diese Menschen, die die Absicht hinter einer Geschichte nicht verstehen, gibt es leider immer wieder und davon kann ich auch ein Lied singen.

    Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll – angefangen von Weitwinkel und den Marine-Infanterie-Hasen und den Kampflesben über gewisse Ausgaben der Reichskasse, epische Facepalms, das Weinfest, der spannende und spektakuläre Endkampf oder Obamas Hitlerbärtchen. Von dem Abspann einmal ganz zu schweigen.

    Ich danke dir für diese großartige Unterhaltung und freue mich, mehr von dir zu lesen. Auch von mir gibts eine dicke Leseempfehlung 👍

    LG
    Lady Sonea

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